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Vor Streik im Mai

Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen kündigt die IG Metall die Urabstimmung und einen Arbeitskampf mit neuem Konzept an

FRANKFURT/MAIN dpa/ap ■ Die IG Metall hat nach den Worten ihres zweiten Vorsitzenden Jürgen Peters für den bevorstehenden Arbeitskampf ein neues Streikkonzept entwickelt. Anders als früher sollten nicht mehr einzelne Firmen auf Dauer bestreikt werden, vielmehr wolle man flexibel zwischen Ausstand und Arbeit wechseln. So könnten etwa Automobilhersteller wie DaimlerChrysler oder Porsche mit einigen Tagen Streik für längere Zeit lahm gelegt werden. Mit dem „Flexi-Streikkonzept“ werde aber verhindert, dass es zur so genannten kalten Aussperrung von Betrieben käme, die von Produktlieferungen der Bestreikten abhängig sind. Beim letzten Arbeitskampf 1995 in Bayern hätten „die Kleinen die Prügel für die Großen bezogen“, so Peters gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Eine Einigung vor Beginn von Urabstimmung und Streik schloss Peters aus.

Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sieht nach dem Scheitern der Verhandlungen am Freitag keinen Spielraum für ein weiteres aufgebessertes Angebot für die 3,6 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. „Wir haben unsere Schmerzgrenze überschritten und uns mit diesem Angebot komplett ausgezogen“, sagte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser. Die IG Metall hatte ursprünglich 6,5 Prozent mehr Geld gefordert, strebt faktisch aber eine „4 vor dem Komma an“. Am Montag werden laut IG Metall alle Tarifbezirke beim Vorstand die Urabstimmung beantragen, die es dann in einem oder zwei Tarifbezirken geben soll. Das Ergebnis wird für den 30. April erwartet. Am 6. Mai könnte der Streik beginnen.

Schützenhilfe erhält die IG Metall von dem Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, der im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen und den Arbeitgebern Verständnis für die Zielmarke der IG Metall geäußert hat. Bei einem Anstieg der Produktivität von 2 Prozent und einer Inflationsrate von ebenfalls 2 Prozent werde damit „der gesamtwirtschaftlich neutrale Verteilungsspielraum“ lediglich ausgeschöpft. „Es ist ausgesprochen bedauerlich, dass diese gesamtwirtschaftlich begründete Tarifforderung ohne Streiks nicht durchsetzbar zu sein scheint.“

Der Wirtschaftsweise Bert Rürup warnte dagegen vor den Konjunkturrisiken eines hohen Abschlusses. Das bisherige Angebot der Arbeitgeber sei für diese Branche mit ihren vielen mittelständischen Unternehmen „eigentlich schon zu viel“, sagte Rürup.

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