: Toni mit den flinken Fäusten
■ Bremer Fußball-Fans bezogen beim Auswärtsspiel in Leverkusen Prügel – von Profis und Offiziellen, wie sie sagen. Einer hat Ex-Nationaltorhüter Schumacher angezeigt
Ein paar Dinge sind klar: Zum Beispiel, dass Torben Keller am Wochenende zum Auswärtsspiel des SV Werder Bremen nach Leverkusen gefahren war. Und dass er den Sieg der Bremer Mannschaft nicht genießen konnte. Schon vor dem Spiel hatte er so massiv Prügel bezogen, dass er nun operiert werden muss. Ein Splitter des Jochbeins drückt auf einen Gesichtsnerv und muss operativ entfernt werden. Prognose : Eine Woche Krankenhaus.
Ein ganz normales Fußball-Wochenende, könnte man vermuten. Nur eine weitere Schlägerei zwischen Fußball-Randalierern. Aber nein: Bevor eine Faust auf sein Auge krachte, will Keller noch erkannt haben, wer der Schläger war, weil er dessen Gesicht aus Zeitung und Fernsehen kannte: Mit bürgerlichem Namen heißt der Mann, den er wegen Körperverletzung angezeigt hat, Harald Schumacher. Bekannter ist er unter dem Vornamen „Toni“. Der legendäre Keeper des 1. FC Köln, lange Jahre Deutschlands bester und unter „Silberlocke“ Jupp Derwall eine sichere Bank der Mannen mit dem Adler auf der Brust. Eine Kölsche Frohnatur, die heute als Torwart-Trainer in Diensten von Bayer Leverkusen steht.
Und noch was erinnert der passionierte Fußball-Fan: Auf dem Platz zeigte „Tünn“, wie er im Rheinland heißt, einmal, dass seine Fäuste zu mehr taugen, als den Ball über die Querlatte zu lenken. Als der Franzose Battiston allein mit dem Ball auf ihn zustürmte, streckte er ihn in einer Weise nieder, gegen die die brutalen Ausfälle des Dortmunder Torhüters Lehmann fast wie Zärtlichkeiten wirken. Damals war das Spiel für beide beendet, aber im richtigen Leben lässt sich so eine Situation nun mal nicht mit einer roten Karte lösen. Deshalb sucht der 18-jährige Bremer nun sein Heil bei der Justiz.
Über die genauen Ereignisse gehen die Darstellungen naturgemäß auseinander. Eine Gruppe Bremer Fans soll dem Leverkusener Mannschaftsbus bei der Anfahrt zum Stadion im Weg gewesen sein. Man habe lediglich ein bisschen getrödelt, beschreiben Bremer Fans die Situation im Internet-Chat. Und Platz zum Ausweichen habe es auch nicht gegeben, da die Straße an beiden Seiten zugeparkt gewesen sei. Von einer „Blockade“ ist dagegen in Leverkusen die Rede. Die Bremer Fans hätten auf der Fahrbahn gesessen und sich auf nach mehrmaligem Hupen nicht von der Stelle gerührt. Die Polizei sei weit weg gewesen und habe nur zögerlich eingegriffen, heißt es. Jedenfalls muss einigen Passagieren auf der Meisterschafts-Zielgeraden der Geduldsfaden gerissen sein. Der Busfahrer öffnete die Türen und eine Gruppe um Toni Schumacher stieg aus. „Ich wollte denen nur erklären, dass das so nicht geht“, sagte er später. Plötzlich habe er einen Schlag in den Rücken bekommen. Es kam zum Handgemenge, in das nach den Angaben von Bremer Fans auch Trainer Klaus Toppmöller sowie diverse Spieler des Tabellenführers verwickelt gewesen sein sollen, unter anderem der sonst eher für geschmeidige Eleganz bekannte Ze Roberto. Die Bremer seien mit Fahnenstangen auf die Leverkusener losgegangen, da habe er sich nur gewehrt, sagte Schumacher direkt nach dem Zusammenstoß, den schließlich die Polizei beendete. Inzwischen ist er schmallippiger geworden, lässt über seinen Anwalt ausrichten, er habe sich nichts vorzuwerfen und werde die Anschuldigungen dort klären, wo sie hingehörten: vor Gericht.
Kellers Anwalt Michael Nolle ist guten Mutes: „Wir haben Zeugen auch aus dem Leverkusener Lager.“ Bayer Leverkusen ist derweil in die juristische Gegenoffensive gegangen: Der Club erstattete Anzeige gegen unbekannt. Der Mannschaftsbus soll bei dem Zwischenfall demoliert worden sein.
Schaden könnte auch das Image des Vereins nehmen, sollten sich seine leitenden Angestellten als Straßenschläger herausstellen. Aber vielleicht steht am Ende auch nur die passende Dolchstoßlegende, falls es dieses Jahr wieder nicht mit der Meisterschaft klappt: Wer kann sich schon nach Fan-Attacken auf das vielleicht entscheidende Spiel gegen Werder konzentrieren?
Jan Kahlcke
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