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Fördern, fordern, fallen lassen

Die gegenwärtige Sozialpolitik zielt auf Kürzungen, Lohnsubventionen und Zeitarbeit. Auf ihrem Kongress in Bremen hinterfragt die taz alte und neue Arbeitsmarktmodelle

Die politische Debatte über die Arbeitslosigkeit hat sich verengt. Derzeit herrscht das Dogma: Hauptsache einen Job für jeden, ganz gleich, was für einen. Lohnsubventionen für Billigjobs gelten vielen als Allheilmittel, die Arbeitslosenhilfe soll verkürzt werden, wer Stütze bekommt, soll dafür auch eine Gegenleistung bieten. Dies steht hinter dem rot-grünen politischen Prinzip: Fördern und fordern.

Damit haben sich die politischen Akzente verschoben: Die Stütze steht inzwischen im Verdacht, die Bequemlichkeit und die Arbeitslosigkeit sogar noch zu fördern. Ein staatlich geförderter zweiter Arbeitsmarkt wird auch von der rot-grünen Regierung kritisch betrachtet, weil die dort Beschäftigten den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt selten schaffen und die Privatwirtschaft unter der Konkurrenz der ABM-Projekte leidet.

Mit dieser Verschiebung sind alte Debatten in den Hintergrund getreten. Die taz fragt nach: Wird die hohe Zahl der Arbeitslosen jetzt benutzt, um kapital- und arbeitgeberfreundliche Maßnahmen durchzudrücken? Oder bietet ein flexibler Arbeitsmarkt auch Chancen für Menschen, die bislang in der Arbeitswelt leer ausgegangen sind?

Im Osten etwa gilt nach wie vor, dass sich in vielen Landstrichen eine funktionierende Privatwirtschaft nicht aufbauen lässt, auch weil nicht genug Kaufkraft vorhanden ist. ABM-Stellen sind für viele Ältere die einzige Chance auf Beschäftigung. Für die westlichen Städte gilt, dass mit den Kürzungen bei ABM-Stellen bestimmte Alternativkulturen und Milieus einfach verschwinden. Denn es gibt keine Privatwirtschaft, die sich für Frauenprojekte oder Off-Kultur interessiert.

Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt sind heute das wichtigste politische Ziel. Alle politischen Parteien sprechen sich für Niedriglohnsubventionen und einen flexibleren Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitswelt verändert sich. Zeitarbeitsfirmen expandieren, Tätigkeiten werden an Scheinselbstständige ausgelagert, Kleinunternehmer halten sich nur noch mühsam über Wasser.

Die Arbeitsbedingungen wandeln sich, doch interessanterweise spielt gerade die Frage der Jobqualität keine große Rolle in der politischen Diskussion. Dabei ist es eine Tatsache, dass schlechte Arbeitsbedingungen später gesundheitlich angeschlagene, schwer vermittelbare Erwerbslose erzeugen. Niedrig bezahlte Arbeiten, die nicht qualifizieren, sondern nur verschleißen, sind keine attraktive Perspektive.

Die Debatte darf sich daher nicht verengen auf die Arbeitslosenstatistiken, sie muss von den Menschen handeln. Welche Biografien, welches Leben ist in der Arbeitswelt von heute und morgen möglich und wünschenswert? Wie kann die Gesellschaft eine solche Vision fördern? Was muss daran kollektiv finanziert werden und was nicht? Gesucht werden auf diese Fragen nicht nur alte, sondern auch neue Antworten – am Donnerstag in Bremen. BARBARA DRIBBUSCH

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