: Keine ethnischen Grenzen
Ein Jahrzehnt lang World-Music-Größe zwischen malischer Traditionspflege und europäischen Hörgewohnheiten: Habib Koité & Bamaka in der Fabrik
Musik aus Mali erobert seit Jahren regelmäßig die Gipfel der World-Music-Charts. Afropop-Pionier Salif Keita, die Diva Oumou Sangare aus dem Süden und der Bluesmann Ali Farka Toure – sie alle haben im Laufe der letzten Dekade erfolgreich das Bild einer überaus farbenreichen westafrikanischen Musikkultur beim europäischen Publikum etabliert. Der 44-jährige Poet Habib Koité, seit den frühen 90er Jahren ein Name in der einschlägigen Szene, hat all diese Farben zu einem neuartigen Sahel-Sound zusammengefügt.
„Ich habe mit europäischen Büchern begonnen, die Gitarre zu lernen, habe auch viel europäische Musik in Clubs gespielt. Aber bald ging ich dazu über, die traditionellen Stücke so auf mein Instrument zu übertragen, als würde ich Buschharfe spielen‘‘, erzählt Koité in aller Bescheidenheit über die Herausbildung dessen, was andernorts als seine ureigene, virtuose Zupftechnik gilt. Eine Technik, die es dem Spross einer Musikerkaste der Bambara erlaubt, malische Klänge so aufzupeppen, dass sie für viele Ohren äußerst attraktiv wirken, aber nichtsdestotrotz einen authentischen Touch konservieren.
Nach der Startphase als Student und Gitarrenlehrer in Bamako musizierte Habib Koité schon bald mit westafrikanischer Prominenz aus dem Diabate-Klan, gründet 1988 die Band Bamada und zählt heute, offiziell unterstützt von Radio France Internationale, weltweit zu den größten Acts des frankophonen Afrika. Besonders bei Konzerten zündet Koités Mix aus traditionellen Schätzen und wohl dosierten Rock-Gesten auf E-Bass und Drums. In der Heimat kann er ohnehin auf eine Heerschar von Verehrern stolz sein. „Niemals haben irgendwelche Traditionalisten Kritik an mir geübt. Man hat zwar erkannt, daß alles, was ich mache, einen neuen Ansatz hat“, sagt er, „aber jeder Malier kann die Rhythmen und Melodien erkennen, mit denen ich arbeite.“
Dass die Betonung dabei auf „jeder Malier“ liegt, ist bemerkenswert: Leben in dem riesigen Land doch neben den diversen Mande-Völkern auch die Fulbe-Nomaden oder die sagenhaften Dogon. Was in Koités Arrangements für westliches Publikumsempfinden recht ähnlich tönen mag, birgt so tatsächlich eine breite Palette regionaler Stile in sich. „Die Leute in meiner Umgebung waren anfangs erstaunt darüber, daß in meinen Songs so viele ethnische Gruppierungen vertreten sind“, sagt Koité. „Das ist nicht üblich in Mali, normalerweise hält ein Sänger immer an ein und derselben Spielweise fest. Aber ich verwende alle rhythmischen und harmonischen Farben, die mir zur Verfügung stehen, den Danssa-Rhythmus der Kassonke, die Buschharfe, die Ngoni – ein Urahne des Banjo – und neben vielen anderen Elementen natürlich auch die Überlieferung meines Volkes, der Bambara aus Ségou. Ich sehe nicht ein, warum ich mich irgendwelchen ethnischen Grenzen unterwerfen soll!“
Solidarität der afrikanischen Völker untereinander, Anerkennung und Wertschätzung der Kulturen auch jenseits von Mali sind fester Bestandteil seines Weltbilds. Beinahe verärgert reagiert Koité auf die Künstler, die dem schwarzen Kontinent – mental und physisch – den Rücken gekehrt haben. Niemals würde es ihm einfallen, deren Musikstil zu kopieren, wo es doch vor der eigenen Tür noch so viel zu entdecken gibt. Und dennoch: Die in seinen Texten immer wieder aufflammende Besorgnis um die Sahel-Kultur liegt ständig im Widerstreit mit dem „Segen“ der westlichen Zivilisation. Fast rührend besingt der Poet das Faszinosum Internet oder einen vergleichsweise simplen Gebrauchsgegenstand wie das Fax-Gerät.
Und er sieht nicht zuletzt ein, dass Technik – richtig genutzt – auch Malis Musikern zugute kommen kann: „Glücklicherweise hat Salif Keita in Bamako ein Studio eröffnet, das über recht ordentliche Möglichkeiten verfügt“ erzählt er. „Und in jeder Stadt von einer gewissen Größe gibt es auch zumindest eine Radiostation. Unser großes Problem ist allerdings die Piraterie. An die vielen lokalen Künstler, von deren Musik die Radios zehren, werden keine Gebühren gezahlt. Die Autorenrechte sind nicht gesetzlich verankert. Diese Musiker, obwohl sie ausgezeichnet sind, bleiben also arm und können nicht auf Tournee gehen. Auch die Produktionsmöglichkeiten, sei es im Studio oder für Live-Konzerte, können noch verbessert werden. Es liegt noch ein bisschen Arbeit vor uns.“
Stefan Franzen
Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik
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