Workshop Nr. 2: Die TeilnehmerInnen

Die TeilnehmerInnen des taz Panter Workshops „Alles Krise – und was jetzt?“.

Das Gruppenfoto der Teilnehmer. Bild: Anja Weber

Bei der Auswahl der TeilnehmerInnen wird darauf geachtet, dass eine interdisziplinäre Gruppe mit unterschiedlichen Vorkenntnissen im Journalismus entsteht. JedeR kann sich bewerben. Die je zehn Frauen und Männer pro Workshoptermin sind zwischen 18 und 28 Jahre alt und kommen aus allen Regionen Deutschlands und aus dem Ausland.

Sebastian Kempkens, 21 Jahre. Stell dir vor, es ist Krise, und keiner geht hin. Kommt die Krise dann wirklich zu dir? Ich habe letztes Jahr Abi gemacht und arbeite jetzt in einem Flüchtlingsheim im sonnigen Süden Frankreichs zwischen Tschetschenen und Kongolesen. Zu denen ist die Krise mittlerweile gekommen, ohne anzuklopfen. Arbeit findet niemand. Ich freue mich auf eine kritische taz-Beilage.

Nuria Grigoriadis, 24 Jahre. Ich studiere in Leipzig Afrikanistik und Politikwissenschaft. Beeinflusst durch meine Studienfächer interessiere ich mich vor allem dafür, wie sich die Krise auf die Entwicklungsländer auswirkt und ebenso, ob sich die entwicklungspolitischen Bemühungen der europäischen Länder in Zeiten der Krise verändern.

Auch wenn die Krise mittlerweile weltweit ihre Wellen geschlagen hat, wird sie häufig vielleicht nur als passende Entschuldigung für manche politischen Veränderungen genutzt. Ich selbst bin mit der „Krise“ noch nicht in Berührung gekommen. Ich glaube aber, dass es nicht überall „kriselt“. Bei den vielen negativen Auswirkungen ist es vielleicht auch notwendig, diese Zeit als Chance für Veränderungen wahrzunehmen.

Farbod, 23 Jahre, Studium des Maschinenwesens an der TU Dresden sowie an der Universität Stuttgart und begeisterter Zeitungsleser seit frühen Jahren. "Alles Krise – Was nun?" – Die Krise kann auch als Gelegenheit zur Veränderung aufgefasst werden.

Gruppierungen, Ideologien, Bewegung oder Partei drängen mit Vorschlägen nach vorn. Statt aber Altes neu im Mantel der Krise zu verpacken, sollten wir die Möglichkeit nutzen, um alte Dogmen und Fronten abzubauen, neue Ideen und Schrittmacher nach vorn zu bringen und Krise als Chance zu begreifen!

Nele Möhlmann, 26 Jahre. Studium der Politikwissenschaft, Anglistik, Internationales Öffentliches Recht und Europäische Migration in Mainz. „Alles Krise - und was jetzt?“ Weitermachen!

Wo viele zuerst an Wirtschaft und Finanzen denken, denke ich vor allem an den alltäglichen Rassismus und Sexismus, an Traditionalismus und Jasagertum, an Bildungs- und Sozialabbau - und damit zusammenhängend: an die eigenen Lebensentwürfe. Darüber setze ich mich denkend, schreibend und mit anderen streitend auseinander. Du änderst gar nix, es ändert dich? Nur solange du es zulässt ...

Jonas Großmann, 18 Jahre. Ich mache gerade Abi am Max-Planck-Gymnasium in Trier. Danach werde ich erst einmal ein Jahr nach Südamerika abhauen, um die Welt kennenzulernen. Krisen sind verdammt wichtig! Ohne unsere alltäglichen großen und kleinen Krisen würden wir die ganze Zeit nur auf einer Stelle tappen und uns nicht mehr weiterentwickeln.

Solche außergewöhnlichen Krisen wie die jetzige Wirtschaftskrise verlangen außergewöhnliche Ideen und Lösungen. Wieder eine Sache, die ich als sehr positiv empfinde: Endlich kann meine Generation einmal zeigen, ob ihr bessere Möglichkeiten für unser an vielen Stellen bescheidenes Wirtschaftssystem einfallen. Neue Ideen bekommen eine viel größere Chance, gehört zu werden!

Stephanie Rohde, 23 Jahre. Ich studiere Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Freiburg. Ich finde, wir sollten uns langsam darauf besinnen, dass die Krise ein produktiver Zustand ist, dem wir nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen müssen.

Deshalb sollten wir endlich entscheiden, ob wir wirklich etwas ändern wollen. Wenn nicht, sollten wir aufhören, darüber zu reden. Gespannt bin ich, ob langfristig eine konservative, sicherheitsbedürftige Generation aus dieser Krise hervorgehen wird oder ob einfach alle Sorgen auf ironischen Finanzkrisenpartys weggetanzt werden können.

Bernd Skischally, 26 Jahre. Nach vier Jahren als Volontär und Lokalredakteur bei der Augsburger Allgemeinen und einem kurzen Engagement für ein Magazin in Kapstadt studiere ich gerade Museumskunde/Ausstellungsmanagement, arbeite als freier Musikjournalist und genieße mit ganzem Herzen das Leben in Kreuzberg.

Krise? Ja schon! Aber neu sind all die Probleme nicht. Neu ist höchstens, dass noch mehr Menschen als zuvor (ein-)sehen, wo genau in unserem globalisierten Wirtschaftssystem der Hund begraben liegt. Schon Mitte der 1990er sinierte zum Beispiel Carl Amery, Gründungsmitglied der Grünen, ausführlich über all das, was wir heute Krise nennen.

Er durfte sich dafür als Apokalyptiker bezeichnen lassen. Ich selbst verbildliche mir die „Krise“  als eine Art riesigen Kabelsalat, der nur mit ganz vielen geschickten und sich gegenseitig bedienenden Händen wieder auseinandergeflochten werden kann.

Eines lasse ich mir aber sicher nicht aufzwingen: Angst. Etwa davor, keine Verdienstmöglichkeit mehr zu finden. Da halte ich es zur Beruhigung lieber mit dem Irokesenschriftsteller Vine Deloria, der einst sarkastisch bemerkte: „Befor the White Man came, we Americans lived in a state of permanent unemployment.“ 

Judith Sebastian, 27 Jahre. Ich habe vor zwei Jahren mein Studium der Oecotrophologie, mit dem Ziel, Ernährungswissen an Kinder weiterzugeben, beendet. Leider ist in „Zeiten der Krise“ niemand bereit, das Geld in eine Oecotrophologin zu investieren, dabei wäre der Einsatz heute wichtiger denn je, um das Wissen der Nachhaltigkeit zu vermitteln.

Genau das muss bei der Bewältigung der Krise im Vordergrund stehen: Nachhaltigkeit! Dies gilt nicht nur für die Finanzkrise, sondern besonders für die Klima- und Nahrungsmittelkrise!

Simon Goebel, 24 Jahre. Ich studiere Ethnologie, Politik und Philosophie in Augsburg. Meine thematischen Schwerpunkte sind Identitätskonstruktion, Migration und Postkolonialismus. In Krisenzeiten werden Schuldige gesucht. Schuldige für die Krise, für Arbeitslosigkeit, für Existenznot.

Da besteht erhöhte Gefahr, dass rechte Agitation Gehör findet und dass nationale Identitäten heraufbeschwört werden. Dem gilt es entgegenzuwirken und dem wirke ich entgegen – durch Aufklärung und Bildung, durch Antirassismus. Und nebenbei darf gerne vom Ende des Kapitalismus geträumt werden.

Rebecca Hack, 24 Jahre. Ich beginne gerade meine Magisterarbeit in Publizistik an der Universität Mainz, meine Nebenfächer Musikwissenschaft und Französisch habe ich abgeschlossen. Nebenbei arbeite ich bei „3sat Kulturzeit“ und schreibe für das Feuilleton einer Mainzer Tageszeitung – deshalb interessieren mich am Thema Krise besonders die Auswirkungen auf die deutsche und internationale Kulturlandschaft.

Sind Kulturschaffende die Leidtragenden, weil sie Kürzungen finanzieller Mittel hinnehmen müssen? Wie setzen sich Künstler mit dem Thema „Krise“ auseinander? Ich freue mich darauf, gemeinsam solchen und ähnlichen Fragen im taz-Workshop nachzugehen.

Daniel Hadrys, 23 Jahre. Ich studiere Germanistik und Musikwissenschaft in Düsseldorf (6. Semester). Nebenbei bin ich im Lokaljournalismus tätig. Mein Gedanke zur Krise: Ich träume davon, dass es irgendwann derselben (verhältnismäßig) kleinen Menge an Menschen, wie sie auch für die Krise verantwortlich ist, gelingen wird, die Welt noch einmal derartig stark zu verändern.

Nur dieses Mal einfach zum Guten. Leonie Kapfer: „Wir dürfen die Krise nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern als Wendepunkt zu einer gerechteren Gesellschaft.“ 

Margarete Stokowski, 23 Jahre. Juchu, endlich eine Krise! Man muss wohl zuerst mal fragen, wer hier eigentlich in einer Krise ist – das sind nämlich größtenteils nicht die Leute mit den guten Ideen und Liebe zur Welt. In der Krise sind diejenigen, die an einem falschen System festgehalten haben.

Krise heißt nicht nur Chancen, Krise heißt Platz für Neues: Es gibt so gute Ideen für friedliche und ökologisch verträgliche Gesellschaftsformen – es ist so langsam die Zeit gekommen, den Wechsel anzugehen. Ich studiere Philosophie und Sozialwissenschaften in Berlin, daneben bin ich Chefredakteurin der Studierendenzeitung der Humboldt-Universität, „UnAufgefordert“.

Elena Zelle, 23 Jahre. Ich studiere Fachjournalistik in Bremen. Nebenbei schreibe ich für eine Tageszeitung über Kultur und Leben in Bremen. Als Gesundheitswissenschaftlerin interessiert mich im Zusammenhang mit „Krise“ vor allem der Mensch: Was macht die Krise mit ihm? Welche Ängste oder vielleicht auch Hoffnungen löst diese Krise aus?

Und vor allem: Hat diese allgegenwärtige Angst Auswirkungen auf unsere Gesellschaft? Ich hoffe, dass sich aus der momentanen Situation neue Chancen und Blickwinkel ergeben: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewohnheit sich entraffen“ (Hermann Hesse).

Leonie Kapfer, 22 Jahre. Ich studiere seit 2007 Lebensmittelwissenschaften in Wien. Neben dem Studium beschäftige ich mich viel mit Feminismus, da ich finde, die Zeit ist reif für eine Gesellschaft, in der alle Menschen frei leben können und Entscheidungen treffen, ohne sich an alten Rollenbildern zu stoßen. Ich sehe deshalb die Krise, welche die Welt derzeit beschäftigt, nicht als Bedrohung an, sondern als Wendepunkt zu einer gerechteren Gesellschaft.

Paul Bergmann, 26 Jahre. Ich studiere im 6. Semester Umwelttechnik, liebe die Natur und die Technik und gebe die Hoffung nie auf. Das Schreiben ist für mich eine gute Möglichkeit, die täglich einprasselnden Informationen mit Senf bestrichen wieder herauszulassen.

Was jetzt grade als Krise daherkommt ist für mich nur die logische Konsequenz dessen, was in den letzten 20 jahren in Form eines Turbokapitalismus an der Welt verübt wurde. Uns geht es dabei noch gut, über den Tellerrand zu schauen lohnt da eher!

Isabel Pfaff, 24 Jahre. Aufgewachsen bin ich im wohlhabenden und schläfrigen Überlingen am Bodensee. Jetzt bin ich im politisch lebendigen Leipzig, wo ich mich neben meinem Afrikanistik-Studium der Revolution in kleinen Schritten widme.

8 Monate in Ostafrika haben meine Affinität für diesen Kontinent verstärkt. Mich interessieren die politischen und wirtschaftlichen Verknüpfungen zwischen Nord und Süd, aber auch die Mechanismen, die unser tagespolitisches Geschehen lenken.

Zur Krise: Das Wort Krise nervt. Aber sie ist nun mal da, genau so wie die Umstände, die zur Krise geführt haben. Genau da liegt das Problem unserer verpennten Gesellschaft. Umdenken muss man einfordern und praktizieren.

Julia Fritzsche, 25 Jahre. Nach meinem Staatsexamen wurde mir klar: Es gab tatsächlich noch Spannenderes als juristische Gutachtentexte! Nun bin ich freie Mitarbeiterin beim Ausbildungsfernsehen XEN.ON. Ich interessiere mich für bildende Kunst, spiele Theater, mache Musik und Kurzfilme, habe einen Musikblog mitbegründet und meine bisherigen praktischen Erfahrungen vor allem in Kulturredaktionen (arte, ZDF aspekte) gesammelt. Ansonsten interessieren mich feministische und politische Themen.

Die Krise kann nur dann auch eine Chance sein, wenn wir sie jetzt aktiv nutzen, um unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten. Wenn wir das nicht tun, riskieren wir, dass die Krise als Ausrede genutzt wird, Themen wie Ökologie, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit wieder von den Agenden zu streichen.

Andreas Kenke, 27 Jahre. Als ehemaliger Student der amerikansichen Literaturwissenschaften und der Ethnologie fühle ich mich in den Bereichen Kultur und Gesellschaft sehr wohl. Weiterhin arbeite ich gerne im Bereich „Neue Medien“, in denen kritischer Qualitätsjournalismus bitter nötig ist. Zum Thema Krise und danach würde ich sagen: „Es muss immer weiter gehen!“

Jan Mohnhaupt, 25 Jahre. Ich bin im „krisengeschüttelten“ Bochum (Zechen, Opel, Nokia) aufgewachsen; dort habe ich Schulpflicht und Zivildienst erfüllt. Zum Studium ging ich ins „krisenerfahrene“ Berlin für ein Bachelorstudium der Geographie – ein Fach, in dem man laut Dozenten sowieso keinen Job bekommt – an der Freien Universität (1948 aus einer Hochschulkrise entstanden).

Seit dem Abschluss 2008 studiere ich nun im zweiten Semester Russisch an der Humboldt-Universität. Während der Schul- und Studienzeit habe ich mehrere Redaktions-Praktika absolviert und mehrere Artikel für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und den Tagesspiegel geschrieben.

Meine Einschätzung der „Krise“: Es wirkt auf mich seltsam, dass – nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern beinahe in allen Gesellschaftsbereichen – breitflächig und völlig undifferenziert die Krise ausgerufen wird. Wäre das Wetter im Moment nicht so angenehm, würde dies wohl auch als Indikator der Krise angesehen. Daher halte ich es lieber mit Max Frisch und behaupte: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“

Jonas Schaible, 19 Jahre. Ich habe vor einigen Wochen mein Abitur hinter mich gebracht und harre nun irgendwo zwischen ent- und gespannt dessen, was in den nächsten Monaten und Jahren auf mich zukommen wird. Nach einigem Hin und Her habe ich mich gegen ein Auslandsjahr und für ein Studium schon zu Beginn des nächsten Semesters entschieden; die momentane Wunschkombination: Politologie und Medienwissenschaften.

Am Ende des Studiums wartet dann hoffentlich der Journalismus – natürlich ausgerechnet auf mich und das auch noch in Zeiten der Krise des klassischen Printjournalismus. Überhaupt kriselt es aktuell überall: Immobilienkrise, Finanzmarktkrise, Krise der Realwirtschaft, globale Krise, dazu die Krise im Gesundheitssystem – alles auf einmal.

Von außenpolitischen Krisen noch gar nicht zu reden. Sogar das Krisenmanagement steckt in der Krise, wo doch jedes Management zur Zeit per definitionem böse ist und außerdem noch niemand so recht weiß, welcher Weg denn nun der Königsweg hinaus aus all dem Unglück ist…

Bei all diesen mindestens vorapokalyptischen Szenarien nicht den Kopf zu verlieren, ist gar nicht so einfach – aber dringend geboten. Vielleicht, diese Hoffnung kann man ja haben, setzt sich gerade jetzt, zur Abwechslung einmal, die Vernunft durch. Dann hätten all die Krisen doch etwas Positives bewirkt.