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Der Bergbau boomt in Amazonien

Mit dem Einstieg in die Kupferförderung weitet der brasilianische Konzern Companhia Vale do Rio Doce seinen Aktionsradius aus – der Bevölkerung kommen die Großprojekte jedoch kaum zugute. Eisen für die EU bedroht den Regenwald am Amazonas

aus Carajás GERHARD DILGER

Wieder einmal strömen die Menschen in das Carajás-Gebirge. Mit Kind und Kegel kommen sie auf dem Bahnhof von Parauapebas an, das in den Achtzigerjahren zusammen mit der Erschließung der nahe gelegenen Eisenerzminen aus dem Boden gestampft wurde. Heute zählt der Ort im Südosten des brasilianischen Bundesstaats Pará bereits 80.000 Einwohner. Seitdem der Konzern Companhia Vale do Rio Doce (CVRD) im vergangenen Jahr angekündigt hat, er werde bis 2007 fünf Kupferminen in der größten Bergbauregion Amazoniens erschließen, sind am Ortsrand bereits zwei neue Armenviertel entstanden.

Die 80 Kilometer Feldweg zur Kupfermine Sossego werden demnächst asphaltiert, eine Stromleitung gelegt, und in der Mine selbst sollen bis zu 3.000, nach Beginn der Förderung aber nur noch 700 Menschen Arbeit finden. Ab 2004 werden dort jährlich 140.000 Tonnen Kupfer abgebaut. Drei Jahre später sollen fünf Bergwerke schon 690.000 Tonnen fördern. Damit könnte Brasilien, das bisher jährlich Kupfer für 300 Millionen Dollar importiert, bis 2007 in die Gruppe der fünf führenden Kupferproduzenten vorstoßen.

Die Mine, zu deren Grundsteinlegung Präsident Fernando Henrique Cardoso am vergangenen Donnerstag angereist kam, ist allerdings nur das letzte Beispiel für die exportorientierte Enklavenwirtschaft, die die CRVD in Amazonien betreibt. Noch als Staatsbetrieb sollte sie nach dem Willen der Militärs die Erschließung der mineralischen Reichtümer Amazoniens vorantreiben. Zusammen mit Partnern aus den USA, Kanada und Japan ist der 1997 privatisierte Konzern an allen wichtigen Großprojekten der Region beteiligt: am Abbau von Bauxit am Rio Trombetas, an der Weiterverarbeitung zu Aluminium bei Belém und São Luís, an riesigen Staudammprojekten für die energieintensive Aluminiumproduktion. In Carajás fördert er auch Gold, Mangan und Nickel.

Das Kernstück des CVRD-Imperiums bleibt jedoch der Eisenerztagebau. Seit 1985 werden jährlich bis zu 50 Millionen Tonnen hochwertiges Eisenerz über die 892 Kilometer lange Eisenbahnlinie von Carajás bis an den Atlantikhafen São Luís transportiert. Entlang diesem Exportkorridor ist der primäre Regenwald völlig verschwunden. Die Eukalyptusplantagen der CVRD-Tochter Celmar liefern Nachschub für die Kohleproduktion, mit der einige Hüttenwerke in der Nähe der Bahnlinien befeuert werden. Mit 38 Prozent geht der Löwenanteil aller Mineralien aus Pará in die Europäische Union.

Wenig euphorisch beurteilen die Betroffenen in Amazonien die Entwicklung. Nur ein Bruchteil der Arbeitssuchenden aus den Bundesstaaten des armen Nordostens komme tatsächlich im Umfeld der CVRD unter, sagt der Lehrer Darci Lermen, der sich seit 1989 in Parauapebas beim Aufbau von Kooperativen engagiert: „Die meisten Neuankömmlinge schlagen sich in den Elendsvierteln durch. Die beste Perspektive liegt für sie immer noch in der Landwirtschaft.“ Doch dort dominiere der Großgrundbesitz.

Am Elend der Bevölkerung habe sich in den letzten 20 Jahren wenig geändert, pflichtet ihm der Gewerkschafter Manoel Paiva bei. Mit Milliardenbeträgen habe die brasilianische Regierung die Produktion der Devisenbringer Eisenerz und Aluminium subventioniert. Unter dem Strich sei die Auslandsverschuldung explodiert. „Seit der Privatisierung verdienen die Arbeiter in den CVRD-Betrieben immer weniger, außerdem werden immer mehr Jobs an Drittfirmen ausgelagert“, berichtet Paiva. Damit die Menschen in Pará von den Reichtümern profitieren könnten, müsse die Verarbeitung der Rohstoffe vor Ort viel intensiver betrieben werden. Für den Gewerkschafter wird der Bau von „modernen Stahlwerken und Papierfabriken“ ebenso wie eine „nachhaltige Landwirtschaft“ erst möglich, wenn neben Politikern und Unternehmern „endlich die Zivilgesellschaft in die Debatte einbezogen wird“.

Kontakt: Deutsches Carajas Forum, Berlin Tel. 27 58 63 23

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