: sunday, sunday
Sonntagszeitungen
47 Minuten. So lange steckt der Leser eines Sonntagsblatts den Kopf hinter seine Zeitung. Diesen Durchschnittswert hat die Zeitungs-Marketing-Gesellschaft errechnet. Und weil das ganze sieben Minuten mehr sind, als Wochentags zum Zeitunglesen aufgewendet werden, hat sie daraus folgenden Schluss gezogen: Am siebten Tag ist Platz für noch mehr Blätter. „Da der Leser am Sonntag große Kaufentscheidungen trifft, ist er für Anzeigenkunden besonders interessant“, schwärmte Verlagsforscher Hans-Jürgen Hippler diese Woche auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland in Leipzig.
Zuletzt gestartet ist hierzulande die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die inzwischen beachtliche 255.000 Exemplare verkauft. Feuilleton-Chef Florian Illies kann sich weitere Konkurrenz vorstellen: „Der Markt ist noch nicht gesättigt.“ So sorglos ist Giovanni di Lorenzo nicht. „Was soll der gebildete, bereits bestens versorgte Mensch noch alles lesen an seinem einzigen freien Tag“, fragt der Chefredakteur vom Tagesspiegel, der auch eine Sonntagsausgabe macht. – Anders als in der Schweiz oder Großbritannien werde der Deutsche schon wochentags gut mit Qualität bedient. Weitere Wettbewerber unwillkommen!
Auch Claus Strunz will sich Konkurrenz vom Leib halten. Der Chefredakteur von Bild am Sonntag hat 30.000 Verteiler, die sein Blatt und die anderen Sonntagsausgaben des Axel-Springer-Verlags unter die Leute bringen. „Es sind alle eingeladen, uns Konkurrenz zu machen. Aber über unser Vertriebsnetz werden wir keinen mitnehmen.“ Andreas Braun ist darauf nicht angewiesen. Im Südwesten der Republik erscheint seit 24 Jahren sein Sonntag Aktuell – als lukrative Gemeinschaftsausgabe mehrerer Regionalzeitungen. „Technisch sind wir jederzeit in der Lage, auch in Rostock einen Partner in die Arme zu schließen“, wirbt Braun. Allerdings werde derzeit nicht darüber nachgedacht.
Trotz prognostizierter Marktlücke wird der Leser wohl auch die nächsten zwei Jahre aus den Sonntagsblättern wählen müssen, die es schon gibt. Kleiner Trost: Di Lorenzo glaubt, dass auch in der Woche Zeitungen bald so aufgemacht werden wie am siebten Tag: hintergründiger, bunter, meinungsstärker. RALF GEISSLER
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