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Ein nachhaltiges Wahlkampfthema

Sie sollen die Welt retten, die Vorbereitungen der Bundesregierung auf den Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg. Bundeskanzler Schröder reklamiert die „Generationengerechtigkeit“ für sich. Stoiber nicht nachhaltig?

von HANNES KOCH

Rund ein Fünftel des Weltenergieverbrauchs soll schon im Jahre 2015 aus erneuerbaren Quellen gespeist werden. Dieses Ziel formulierte der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), Klaus Töpfer, gestern in Berlin. Der ehemalige Bundesumweltminister der CDU definierte zusammen mit Amtsnachfolger Jürgen Trittin (Grüne), was bei der Weltkonferenz für Nachhaltige Entwicklung im September im südafrikanischen Johannesburg herauskommen soll. Nach den Worten Töpfers darf es „kein Gipfel der Erklärungen, sondern der Umsetzung“ sein. Zehn Jahre nach der Nachhaltigkeitskonferenz von Rio de Janeiro seien konkrete Handlungs- und Zeitpläne gefragt.

Würde nicht nur Töpfers Zahl in Johannesburg vereinbart, sondern auch mit Kontrollmechanismen sichergestellt, dass die einzelnen Länder das Ziel tatsächlich umsetzen, käme das einer energietechnischen Revolution gleich. Heute liegt der Anteil der erneuerbaren Energie am weltweiten Primärenergieverbrauch bei 0,2 Prozent. Nimmt man die großen Stauseen hinzu, deren ökologische und soziale Auswirkungen freilich umstritten sind, steigt der Anteil auf vier Prozent.

Sowohl Töpfer als auch Trittin messen Energiefragen im Hinblick auf Johannesburg große Bedeutung zu. Die Art der Energieerzeugung entscheide nicht nur darüber, ob die Umwelt geschützt werde, sondern auch über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, sagte Töpfer: „Kommt die Energie nicht zu den Menschen, gehen die Menschen zur Energie.“ Es sei deshalb ratsam, besonders in flexible, kleine Kraftwerke in Entwicklungsländern zu investieren, um zu verhindern, dass die „Mega-Citys“ mit weit über zehn Millionen Einwohnern und ihren ungelösten Problemen der Ver- und Entsorgung noch weiter wüchsen.

Ob Töpfers Wünsche in Erfüllung gehen, wird die Konferenz von Johannesburg zeigen. Um die Latte nicht auch auf anderen Feldern derart hoch zu legen, wollten sich die beiden Umweltpolitiker gestern zu weiteren konkreten Maßnahmen nicht äußern. „Aus nationalen Zielen muss sich das Weltziel zusammensetzen“, sagte Bundesumweltminister Trittin nur. Töpfer plädierte dafür, dass Deutschland in Johannesburg möglichst hochrangig vertreten sein solle, um der eigenen Politik mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Dies ist als Mahnung zu verstehen an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der noch nicht genau weiß, ob er im Bundestagswahlkampf Zeit hat. Sicher ist bislang nur, dass Jürgen Trittin und Entwicklungsministerkollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach Südafrika reisen.

Während Trittin die gestrige Nachhaltigkeitskonferenz im Berliner Staatsratsgebäude – eine Vorbereitungsveranstaltung für Johannesburg – nutzte, das grüne Profil zu schärfen, war auch Gerhard Schröder in Sachen „Wahlkampf“ unterwegs. Mit einer langen Rede während der Konferenz reklamierte er – wie schon jüngst mit der Veröffentlichung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – die „Generationengerechtigkeit“ als sozialdemokratisches Thema.

Gleichzeitig hieb Schröder in Richtung des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU): Wer wie Stoiber dafür plädiere, rund 170 Milliarden Euro aus den sozialen Sicherungssystemen herauszuschneiden, habe mit einer Politik der Nachhaltigkeit nichts im Sinn. Denn dafür brauche man Geld, so Schröder, und müsse sicherstellen, dass der Staat investieren und auch seine sozialen Funktionen wahrnehmen könne.

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