: „Ich werde jeden Stein vermissen“
Das neue Konzept für die Europa-Passage ist so umstritten wie das alte. Zwar bleibt der berühmte Stadtgrundriss von 1842 erhalten, dafür fällt die denkmalwürdige Fassade des Europa-Hauses. Grundsatzfrage: Passage ja oder nein?
Von GERNOT KNÖDLER
Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) wird es schwer haben, Wort zu halten: Zu Beginn einer Podiumsdiskussion über die geplante Europa-Passage zwischen Mö und Ballindamm versprach er, die Debatte werde „nicht nur zur Show geführt werden“. Doch bei der Veranstaltung, zu der der Senator vorgestern zusammen mit der Freien Akademie der Künste eingeladen hatte, waren aus dem Publikum fast ausschließlich kritische Beiträge zu hören. Viele Architekten und Kunsthistoriker würden das Projekt in seiner jetzigen Form am liebsten ganz beerdigen.
In den Ausschüssen für Bau und Kultur, die sich zuvor im Rathaus gemeinsam mit dem Thema auseinandergesetzt hatten, zeigte sich dagegen eine grundsätzliche Zustimmung zu dem Vorhaben. Die rot-grüne Opposition, unter deren Ägide das Projekt in der vergangenen Legislaturperiode angeschoben worden war, kritisierte lediglich Details des neuen Entwurfs.
Der ursprüngliche Plan ist völlig überarbeitet worden (taz hamburg berichtete): Der runde, von Läden gesäumte und von einer Kuppel überwölbte Platz in der Hermannstraße, der den heißgeliebten Stadtgrundriss von 1842 stark verändert hätte, ist vom Tisch. Stattdessen plant der Hamburger Stararchitekt Hadi Teherani im Auftrag der Allianz und der Hamburgischen Landesbank eine mehrstöckige Passage durch die Paulstraße und das heutige Europa-Haus.
Statt die im Wege liegende Herrmannstraße völlig zu unterbrechen soll sie jetzt nur noch von einer dreistöckigen Brücke überspannt werden. Dafür muss aber die Fassade des Europahauses und dessen historisches Treppenhaus dran glauben. Das Problem: Die Deckenhöhen der Passage passen nicht zu den Fensterebenen der Fassade.
Für den obersten beamteten Denkmalschützer Hamburgs, Eckart Hannmann, droht damit „ein weiterer Verlust“, nachdem die Stadt schon so viel von ihrer historischen Substanz eingebüßt habe. Der Kunsthistoriker Hermann Hipp rief später in der Akademie: „Herr Teherani, ich werde jeden Stein vermissen, den Sie abreißen wollen!“ Teherani hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die existierenden Fassaden am Ballindam zuvörderst als Ensemble ihre Wirkung entfalteten. Einzelne könnte ersetzt und damit auch die Baukultur weiterentwickelt werden.
Brücken über die Hermannstraße sind aus der Sicht Hannmanns ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. „Man darf sich keiner Illusion hingeben“, warnte der Denkmalschützer: „Was jetzt als Eingehen auf den Stadtgrundriss aussieht, kann von Passanten gar nicht wahrgenommen werden.“ Teheranis Computer-Dia der Brückenverbindung dürfte dieser Position auch in der Akademie vollends zum Durchbruch verholfen haben.
„Warum veranstalten Sie keinen Wettbewerb?“, fragte unter anderen Ursula Schneider von der GAL. „Das Projekt setzt sich mit Fragen auseinander, die kein Wettbewerbsthema sind“, antwortete Oberbaudirektor Jörn Walter. Die Passage sei wichtig für die City. Wenn man sie haben wolle, dann müsse die Hermannstraße überbrückt werden. Eine Unterbrechung auf 18 Metern könne sie nach den Erfahrungen des Handels nicht verkraften.
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