Ohne Begründung zugreifen

Innensenator Ronald Schill möchte das Polizeigesetz verschärfen durch Freibrief für jegliche Willkür. Verstärkte Überwachung öffentlicher Plätze wäre die Folge

Was vor einigen Wochen als rechtspopulistische Seifenblase in die Atmosphäre aufstieg, könnte doch noch Realität werden: Hamburgs Innensenator Ronald Schill plant eine drastische Verschärfung des Polizeigesetzes. Das hat Innenstaatsrat Walter Wellinghausen (SPD) auf einer Veranstaltung mit JuristInnen im Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) ankündigt. Ein entsprechender Entwurf zur Novellierung des „Sicherheits- und Ordnungsgesetzes“ (SOG) sei an die Regierungsfraktionen herausgegangen, bestätigte gestern Innenbehördensprecher Hartmut Kapp: „Nun haben die Koalitionspartner das Wort.“

Im Kernpunkt betrifft es vor allem die Bereiche „Finaler Rettungsschuss“, die „Videoüberwachung von öffentlichen Räumen“ sowie die „verdachtsunabhängigen Kontrollen“. Nach inoffiziellen Informationen ist auch die Idee nicht vom Tisch, Verdächtige zehn Tage lang ohne richterliche Anordnung inhaftieren zu können. Dafür sollen öffentliche Plätze und Zonen verstärkt mit modernster Technik observiert werden. Auf einer internen Veranstaltung der Handelskammer wurden derartige Systeme vor kurzem vorgestellt: Feinste Elektronik, die ihre Zielobjekte mit Wärmereflektoren und Infrarotsensoren fokussieren und nach „untypischen“ Verhaltensmerkmalen suchen. „Sie wollen die Möglichkeit, an jeder Stelle zugreifen zu können, ohne eine Begründung haben zu müssen“, sagt Anwalt Ernst Medecke (GAL) und verweist auf das Schill-Drogen-Verfahren.

„Da wurde beim Belastungszeugen eine Hausdurchsuchung durchgeführt, und als er zu einem Freund umgezogen ist, stand einige Tage später die Polizei auch dort vor der Tür mit der Begründung „Gefahr in Verzug“. Für den Juristen ein Beispiel für die Umkehrung der Beweislast: „Warum haben sie nicht bei Schill durchsucht?“

Kai von Appen