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Anklage gegen Palästinenser

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen den Vater, der seine sechsjährige Tochter bei einer Demonstration als Selbstmordattentäterin verkleidet hatte. Der Vorwurf: Billigung einer Straftat

von SABINE AM ORDE

Nach der Demonstration „Solidarität mit Palästina“ am 13. April hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen 33-jährigen Palästinenser erhoben. Der Mann hatte seiner Tochter eine aus Pappe gebasteltete Sprengstoffattrappe um den Bauch gebunden und das als Selbstmordattentäterin verkleidete Mädchen auf den Schultern durch die Straßen getragen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater jetzt vor, Straftaten in einer Weise gebilligt zu haben, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Zu diesen Straftaten gehören Völkermord und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die der taz vorliegt. Dem Mann drohen bis zu drei Jahre Haft und ausländerrechtliche Konsequenzen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Vater nicht nur seine 6-jährige Tochter, sondern auch seine 10- und 12-jährigen Söhnen mit Sprengstoffattrappen ausstaffiert haben. Damit soll er seine Billigung zahlreicher Selbstmordanschläge mit tödlichem Ausgang gegen israelische Staatsangehörige zum Ausdruck gebracht haben.

Der Mann und seine Tochter waren bei der Demonstration fotografiert worden; das Bild wurde in zahlreichen Zeitungen abgedruckt, darunter auch in der taz. Die Bilder hatten bundesweit und auch international Empörung ausgelöst. Bereits am Tag der Veröffentlichung hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) angekündigt, die Strafbarkeit der Handlung zu prüfen. „Ich habe dafür weder Verständnis noch Toleranz“, sagte Körting. Der Mann müsse mit Konsequenzen – auch ausländerrechtlicher Art – rechnen.

Auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte Ermittlungen gefordert. Es sei „absolut unerträglich“, dass Kinder zur symbolischen Verherrlichung von Morden und zur Werbung für Terror missbraucht würden. Im Sicherheitspaket II sei ein Ausweisungsgrund für Ausländer geschaffen worden, „die öffentlich zur Gewaltanwendung aufrufen“. Diese Möglichkeit müsse genutzt werden.

Die Palästinensische Gemeinde in Berlin hatte sich umgehend von dem Vorfall distanziert und die Verkleidung verurteilt. „Selbstmordattentäter zu verherrlichen ist nicht unsere Art“, sagte ein Sprecher. Bei der Demonstration hatten 10.000 Menschen gegen die israelische Politik protestiert.

Der Vater ist Libanese und wohnt seit Ende 2000 in Berlin. Dem ARD-Magazin „Monitor“ hatte er gesagt, er habe nichts Falsches getan. Jeder Mensch wolle seine Meinung sagen.

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