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Brillante Didaktik mit blinden Flecken

Waldorfschulen erzeugen einen schwer erträglichen Widerspruch: Didaktisch sind sie so modern wie der Pisa-Spitzenreiter Finnland. Aber ihr Umgang mit Gründervater Rudolf Steiner widerspricht dem Vernunftprinzip

Der Innenminister hielt inne. „Entschuldigen Sie, wenn ich jetzt anthroposophisch werde.“ Die Interviewer des Berliner Tagesspiegels ermunterten Otto Schily, weiterzumachen. „Wenn man glaubt“, fuhr er fort, „die Seele sei eine Art gasförmiges Elaborat des Körpers, dann werden Sie den Menschen nicht verstehen.“

Hier endete die Antwort des anthroposophisch inspirierten Schily, und nicht nur die Fragesteller wussten nicht so recht, was Schily damit sagen wollte. Da half es auch wenig, dass er zuvor der Zahl sieben magischen Charakter für den Menschen zugeschrieben hatte: Mit sieben kämen die zweiten Zähne, mit vierzehn die Pubertät, mit einundzwanzig werde man erwachsen.

Otto Schilys unbegründbare Weisheiten stammen von Rudolf Steiner. Der Begründer der Anthroposophie und der Waldorfschulen gilt als Vorreiter interessanter didaktischer Methoden. Gleichzeitig ist er Verfechter einer unverständlichen, ja okkulten Lehre. Wirklich verstehen, so raunt mancher Waldörfler, könne man Steiner erst, wenn man alle seine Schriften gelesen – und erfühlt habe.

Der didaktische Vorsprung der Waldorfschulen vor staatlichen Lehranstalten ist offenbar. Wofür sich der Pisa-Spitzenreiter Finnland rühmt, ist bei Waldorfs eine Selbstverständlichkeit: Projektunterricht; eigenständiges Lernen; kommunikative Kreise. Hinzu kommen das Mischen von Schülern aller Talente, keine Noten, kein Sitzenbleiben.

Inhaltlich aber haben Waldorfschulen einen blinden Fleck: die Lehre ihres Gründervaters. Offiziell komme Steiner im Unterricht gar nicht vor, heißt es. Das ist einerseits gut – denn die teilweise offen rassistischen und spiritistischen Auslassungen des Erlauchten jagen normalen Lesern und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Schauer über den Rücken. Andererseits spricht es dem Vernunftprinzip Hohn. Die Waldorfschüler nähern sich Gott und der Welt mit eigenen Fragestellungen. Nur um Steiner zu verstehen, sind sie gezwungen, sich in den Kreis „Eingeweihter“ zu begeben. Um dann bisweilen gesagt zu bekommen: „Es kann auch sein, dass man diese Stelle nicht versteht“, oder dass sie schlecht mitgeschrieben sei.

Otto Schily ist ein leuchtendes Beispiel für solcherlei Rationalität. Er war einer der wenigen politisch Verantwortlichen, die nach dem Amoklauf von Erfurt fragten, ob es richtig sei, Schüler „ausschließlich auf Leistung zu trimmen.“ Das ist gut. Seine Begründungen dafür hat man nicht verstanden. Schade. CIF

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