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Das Glück der Anderen

Hier ist unverbrauchte und reine jugendliche Romantik am Werk: Die kalifornische Band Phantom Planet schüttelt auf ihrem Album „The Guest“ veritable Pop-Hymnen gleich im Dutzend aus dem Ärmel. Heute spielt sie im Silver Wings

So verschwenderisch wurde seit den Beatles nicht mehr mit Melodien umgegangen

Noch immer, so scheint es, erwachsen aus den einfachsten Dingen die allerschönsten Popsongs. Aktuellstes Beispiel: Phantom Planet, fünf Milchbärte aus Kalifornien, deren zweites Album „The Guest“ momentan mit euphorischem Lob überschüttet wird. Dabei hat man es doch nur mit einer Platte zu tun, auf der die Tristheit eines einsamen Tages besungen wird, ein junger Mann sich in den Augen der Geliebten verliert und manches Automobil die Landstraße hinuntertuckert.

Aber, und das ist entscheidend, diese Landstraße trägt die Nummer 101 und führt durch Los Angeles und San Francisco. Als nicht nur The Mamas & the Papas von Kalifornien träumten, wurde die Hippie-Idee vom sonnendurchfluteten Paradies aus freier Liebe und fröhlichem Selbsterfahrungstrip erfolgreich als globale Vision etabliert. Seitdem hat es allerdings niemand mehr gewagt, diese Sehnsucht so ungebrochen noch einmal zu reproduzieren wie Phantom Planet in „California“, dem ersten Song auf „The Guest“. Er ist eine schon jetzt zeitlose Hymne und läuft bestimmt in 30 Jahren in der Heavy Rotation von Oldie-Radios neben „American Pie“ und „San Francisco“.

Und das beste ist: So geht es lustig weiter. Zwölf Songs und jeder ist ein Hit. Diese Welt braucht eine Hymne, verkündet Sänger Alex Greenwald in „Anthem“, wohl wissend, dass er die Dinger im Dutzend aus dem Ärmel schüttelt. Dabei ist die musikalische Umsetzung bewusst schlicht, der Gitarrensound altertümlich, und als Rhythmus reicht auch schon mal Händeklatschen. Das klingt nach Paisley-Pop und britischem Beat und ist wahrlich nichts Neues mehr, aber so verschwenderisch wurde eben seit den frühen Beatles nicht mehr mit unsterblichen Melodien umgegangen.

Gegründet haben sich Phantom Planet, wie man an dem einem Science-Fiction-Film aus den Sechzigern entlehnten Namen ablesen kann, als Schülerband Mitte der Neunziger in Los Angeles. Die Naivität dieser Tage haben sie sich bewahrt: So bejammert Sänger Alex Greenwald in Interviews „widerlichen Selbstbetrug“, klagt in „Wishing Well“ die in Las Vegas dokumentierten Auswüchse der kapitalistischen Gesellschaftsordung an und hat doch selbst schon als Model für eine Gap-Kampagne posiert. Aber wenn er in „One Ray Of Sunlight“ versucht, das Sonnenlicht für seine Liebste mit bloßen Händen einzufangen, muss man ihm solche Widersprüche vergeben. Hier ist jugendliche, unverbrauchte, reine Romantik am Werk, als sei sie heute Morgen erst entdeckt worden. Solche Unbekümmertheit unterscheidet sie grundsätzlich von ihren Zeitgenossen an der Ostküste und liegt wohl in den Biografien begründet. Die Strokes wären nicht denkbar ohne das New Yorker Künstlermilieu, in dem sie aufgewachsen sind, Phantom Planet nicht ohne Hollywood: Die Mutter von Schlagzeuger Jason Schwartzman ist die Schauspielerin Thalia Shire („Der Pate“, „Rocky“), sein Vater Filmproduzent, und der Coppola-Clan gehört zur weiteren Verwandtschaft; der Vater von Bassist Sam Ferrar hat unter anderem den Grease-Hit „You’re the One that I Want“ geschrieben, und die halbe Band verdient sich ein Zubrot als Schauspieler. Ihre neue Rolle ist allerdings ganz einfach: Die Menschen glücklich zu machen. Die Songs dazu haben sie. THOMAS WINKLER

Heute, 21 Uhr, Silver Wings, Columbiadamm 8, Tempelhof

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