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Duane Hanson zurückübersetzt

Er nimmt dem amerikanischen Hyperrealisten eine Dimension und spielt ein süffisantes Spiel mit der Wahrnehmung des Betrachters: Tadeusz Rolke fotografierte Kunstausstellung und Fischmarkt. Zwei Serien im Kunstverein

„Für mich ist der Fischmarkt ein großes Theater. Wie die Menschen die Arme gen Wursthändler recken, als hätten sie einen Guru vor sich!“ Der polnische Fotograf Tadeusz Rolke, dessen Bilder derzeit im Kunstverein zu sehen sind, weiß, wovon er spricht: Zehn Jahre – von 1970 bis 1980 – lebte der 1929 in Warschau geborene Fotograf, der bereits 1944 als Zwangsarbeiter in Deutschland gewesen war, in Hamburg, um dem zunehmenden politischen Druck zu entfliehen.

Hier fotografierte er für art, Zeit-Magazin und Stern. Und obwohl er im Westen dauerhaft sorglos hätte leben können, fand Rolke nach dem 13. Dezember 1981, dass er nach Warschau gehöre: General Jaruzelski hatte in Polen soeben das Kriegsrecht verhängt, um weitere Solidarnosc-Aktivitäten zu verhindern. Für Tageszeitungen wie die linksliberale Gazeta Wyborcza fotografiert Rolke seither. In eigenen Projekten befasst er sich zudem mit der Suche nach jüdischen Spuren in Ostpolen, ohne dass er darüber sein Interesse am Individuum Mensch samt Inszenierung verlöre.

Als große Performance hat Rolke daher in seiner Fotoserie von 1978/79 den Hamburger Fischmarkt aufgefasst, hat Gängiges (das Pokern um Preise) und Abseitiges (einen verirrten Widder zwischen den Abfällen) fotografiert. Verkäufer, Käufer und Bettler, die Papierkörbe durchwühlen, sind auf den Schwarzweiß-Fotos zu sehen – und natürlich Kneipen-Impressionen von After-Fischmarkt-Sessions.

Als gutmütigen Blick auf die Selbstinszenierung aller Beteiligten kann man diese Bilder lesen – doch der eigentliche Kick der Ausstellung liegt woanders: in der Kombination der Fischmarkt-Bilder mit einer Duane-Hanson-Serie. 1991 hat Rolke eine Retrospektive des US-Künstlers in den Deichtorhallen fotografiert und Hansons Konzept um eine Dimension erweitert, die exakt die aktuelle Wahrnehmungs-Debatte trifft. Denn Rolke hat den vom amerikanischen Hyperrealismus geprägten Hanson (1925–1996) in die Zweidimensionalität zurückübersetzt und damit das Hansonsche Prinzip der Schaffung lebensechter Figuren ad absurdum geführt: „Nichts ist so, wie es scheint“, lautete die Botschaft des US-Künstlers. Doch während der Besucher die Konsistenz einer Figur im Museum immerhin ertasten kann, indem er sie am Ärmel zupft, bietet das Medium Foto keine Chance, die eigene Wahrnehmung zu überprüfen. Man muss dem Fotografen einfach glauben: Sind die am Boden lagernden Museumsbesucher echt? Und die Putzfrau, die müde an ihrem Wagen lehnt? Die Kinder dort auf dem Teppich?

Eine gelungene Irritation, deren spielerischer Charakter durch das süffisante Untermischen eines Fischmarkt-Fotos in der Ausstellung noch verstärkt wird. Und wenn nun alle – oder einige – Fischmarkt-Fotos gestellt wären... denkt man plötzlich: Würde man es überhaupt bemerken? Petra Schellen

Tadeusz Rolke: Fotos. Kunstverein, Klosterwall 23. Di–So 11–18 Uhr, Do 11–21 Uhr; bis 16. Juni

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