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es ist passiert: ich gab bush die hand

Wenn der amerikanische Präsident schon mal in Berlin ist, dann wollte ich auch mit ihm essen gehen. Als freischaffender Entrepreneur spielte ich also meine Kontakte zur deutschen Wirtschaft aus und hockte mich vors Restaurant „Tucher“, um ihn zu begrüßen. „Hey guy, how ya doing!“, wollte ich George W. Bush ansprechen, wenn er mir die Hand reichte. Eine servile Meute in Grün, Schwarz und Weiß beschäftigte sich wahlweise mit renitenten Elementen, Mobiltelefonen oder dem „ ‚Tucher‘-Bein“, einer Art Schweinshaxe für den amerikanischen Freund. Überdies wurde Bush eine Currywurst angeboten, die als „Die Literarische“ offeriert wurde. Dauerfestgast Klaus Wowereit, der die seltene Kunst der Bilokation noch zu beherrschen scheint, fläzte sich mit Gerhard Schröder in eine Couchecke, auf dass Bush, dem zu Ehren unweit Trommeln gerührt und Feuer gelegt wurden, in Berlins Mitte erscheine. Und da war er. Der weltmächtigste Mann, der die Achse des Bösen in die Weltgeschichte gedreht hatte und stets um 22 Uhr, erschöpft vom Weltengelenke, ins Bett fällt. Mein Vorhaben, durch ostentatives Desinteresse aufzufallen, platzte wie eine Streubombe über dem Hindukusch. Von meinen Händen ronn das Wasser. Ich pumpte mich in Habachtstellung. Offenbar bestens gelaunt, griffelte Bush nach den Händen, die ihm wie Tentakel entgegenwuchsen. Beglückte Gesichter hinterließ der haptische Präsidialkontakt. Er kam näher. Wollte mir nur winken. Ich hatte aber meinen Arm ausgefahren. Er musste zupacken. Weil er sich über den Tisch beugen musste, hätte seine rote Krawatte an der Kerze fast Feuer gefangen. Er: „Great to be here!“ Ich, den Rest von Selbstachtung verlierend, sagte tatsächlich: „Anytime.“ Sein Händedruck war fest – und trocken. Ich sabberte ihm ordentlich auf die Handfläche. Dann verschwand Bush. Ich moserte über das Kurzzeremoniell und die Sicherheitstyrannei, die darin gipfelte, dass mein Fahrrad als potenzieller Sprengsatz geknackt wurde. Empört erwiderte eine Dame: „Ja, haben Sie denn gedacht, er übergibt ihnen ein Scheckheft?“ Das wäre das Mindeste gewesen. MARKUS VÖLKER FOTO (DAS NICHT MARKUS VÖLKER ZEIGT): AP

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