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Staatsfeind am Mischpult

Die Solidarität der Sound Systems: Der baskische Dub-Aktivist Fermin Muguruza ist der umstrittenste Musiker Spaniens – weniger wegen seiner Musik als wegen seiner politischen Parteinahme

von REINER WANDLER

Bei keinem Musiker tut sich Spaniens größte Tageszeitung El País so schwer wie bei Fermin Muguruza. In der Musikbeilage der Zeitung wird der 39-jährige Baske immer mal wieder zum „genialsten Musiker der Iberischen Halbinsel“ erkoren. Im Politikteil hingegen wird er wegen seiner Kandidatur auf der Liste der ETA-nahen Partei Herri Batasuna (HB) als schlimmer Nationalist verteufelt. Künstler in der Politik, Politiker in der Kunst: Fermin Muguruza vereint in seiner Person untrennbar beides.

Der zu Zeiten der Franco-Diktatur im Baskenland geborene Sänger und Komponist machte erstmals in den Achtzigerjahren von sich reden. Kortatu hieß die Band, die schnellen Ska und harte Riffs à la Clash unter dem Begriff „rock radical vasco“ zum Besten gab. Auf den Scheiben Kortatus fanden sich Hommagen an ETA-Kämpfer, Antikapitalistisches und Internationalistisches sowie Aufrufe zum Straßenkampf, natürlich immer in baskischer Sprache. Bis heute tanzt sich der nationalistische Teil der baskischen Jugend dazu auf Festen die Seele und den politischen Frust aus dem Leib. „ETA die Guerilla, HB die Partei und Kortatu die Band“, definierten radikale Basken gerne ihre kämpferische Dreifaltigkeit.

Nach zwei Europatouren löste sich die Gruppe 1988 auf, ihr auf Vinyl gepresstes Abschiedskonzert, „Der letzte Kriegstanz“, wurde zensiert: Zu deutlich waren die Rufe „Hoch lebe ETA!“ aus dem Publikum zu hören. Unzensiert gab es das betroffene Lied dann doch noch: als Sondersingle für Freunde und jene, die geholfen hatten, Konzerte zu organisieren. Auf der Rückseite erklingt die Internationale – in der baskischen Version natürlich.

Nach Kortatu kam die Band Negu Gorriak, zu Deutsch „Rote Winter“ und benannt nach einem Gedicht von Bertolt Brecht. Rap- und HipHop-Elemente, begleitet von harten Gitarren, gaben fortan den Ton an. Die Texte von Fermin Muguruza sprachen auch weiterhin die gleiche Sprache, die Konzerte wurden professioneller und schneller. Fermin Muguruza wirbelte wie ein Derwisch über die Bühne, zwei, drei Stunden ohne die kleinste Pause. Die Touren füllten nicht nur in Spanien alternative Säle und besetzte Häuser, sondern auch selbst verwaltete Jugendzentren und Centri Sociale in ganz Europa. Besonders im Baskenland aber konnten die Plätze noch so groß sein – Muguruza und seine Band brachten sie immer zum Tanzen.

Doch schon bald langweilten den Baskenrocker auch die Klänge von Negu Gorriak, und der Erfolg, den die Gruppe gerade auch im Ausland verbuchen konnte, wurde dem eingeschworenen Independent-Musikern wohl unheimlich. Abermals wechselte er sein Markenzeichen: Er verlagerte sich aufs Soundsystem und mischt seitdem in seinen Agit-Dub, was und mit wem er nur kann, und das so genial wie sonst keiner im spanischen Staat: ein nationalistischer Internationalist auf Experimentiertour. Zwischen Ska, Reggae und Dub baut er immer mal wieder Melodien aus den verschiedensten Weltregionen ein, und ob nun der Antiglobalisationsbarde Manu Chao, das kubanische Salsa-Ensemble Los Van Van, die mexikanischen Punker von Tijuana No! oder die Ska-Truppe Desorden Público aus Venezuela, alle sind sie mit dabei auf seinen beiden Alben „FM 99.00 Dub Manifest“ und „Brigadistak Sound System“, die inzwischen selbst in den USA verlegt wurden.

Fermin Muguruza ist längst Idol und Vater einer ganzen Generation baskischer Musiker geworden. Und das von ihm ins Leben gerufene Label Esan Ozenki Records erlaubt es jungen Talenten, außerhalb des kommerziellen Betriebs bekannt zu werden. Trotz des mitreißenden Sounds aber tun sich manche Musikbegeisterte beim Kauf der Muruguza-Scheiben schwer. Schuld daran ist die bewaffnete Separatistenorganisation ETA, mit der Muruguza noch immer offen sympathisiert. Doch was die Pistoleros treiben, begeistert immer weniger Menschen, nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb des Baskenlandes. Denn der von ihnen beschworene „bewaffnete, nationale Befreiungskampf der Basken“ hat sich in den letzten Jahren auf Genickschüsse gegen Andersdenkende spezialisiert.

Fermin Muguruza: „FM 99.00 Dub Manifest“, „Brigadistak Sound System“, beide bei Piranha: www.piranha.de

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