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Opfer deutsch, Täter Rassist?

Ein Russlanddeutscher stirbt nach einem Angriff vor einer Disko in Brandenburg. Staatsanwaltschaft vermutet „fremdenfeindlichen“ Hintergrund. Kein Einzelfall

BERLIN taz ■ Nach zweiwöchigem Koma ist am Donnerstag ein 24-jähriger Russlanddeutscher seinen schweren inneren Verletzungen erlegen, die er bei einer Auseinandersetzung vor einer Diskothek bei Wittstock (Brandenburg) am 4. Mai erlitten hatte. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen einen 20-jährigen Tatverdächtigen, der in Untersuchungshaft sitzt, und zwei unbekannte Mittäter wegen Verdachts des gemeinschaftlichen Mordes. „Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass der Angriff fremdenfeindlich motiviert war“, so Staatsanwältin Lolita Lodenkämper.

Der 24-jährige Kajrat B. und sein 21-jähriger Begleiter seien nach dem Besuch einer Tanzveranstaltung auf der Straße von drei Männern unvermittelt getreten und geschlagen worden. Einer der Angreifer habe zudem einen schweren Feldstein „mit voller Wucht“ auf den Brustkorb von Kajrat B. geschleudert. Nun sucht eine 25-köpfige Sonderkommission nach weiteren Verdächtigen, die Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 2.000 Euro ausgesetzt.

Der in Untersuchungshaft sitzende Beschuldigte habe sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert und sei auch nicht als Mitglied der rechten Szene aufgefallen, so Staatsanwältin Lodenkämper. Trotzdem gebe es „Anhaltspunkte in seiner Person“ für einen fremdenfeindlichen Hintergrund.

Wittstock und Umgebung gelten den Sicherheitsbehörden seit langem als Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten. Nach Informationen des Potsdamer Vereins „Opferperspektive“, der auch die Familie von Kajrat B. und dessen verletzten Begleiter betreut, kam es hier schon wiederholt zu Angriffen von Rechten auf Aussiedler. Der Verein arbeitet mit dem Wittstocker „Bündnis gegen Rechts“ zusammen.

Kajrat B. war erst im November vergangenen Jahres mit seiner aus Kasachstan stammenden Familie in eine Wohnung in die 1.200-Einwohner-Gemeinde Freyenstein bei Wittstock verteilt worden. „Es gibt von den Einheimischen keine Kontakte zu den Aussiedlern und auch keine Kontaktwünsche“, sagt Dieter Trettin, ehrenamtlicher Bürgermeister des Städtchens, wo schon im September 2001 drei junge Russlanddeutsche von Rechten schwer verletzt wurden. Kajrat B. schien den Sprung aus der Isolation geschafft zu haben. Wenige Tage vor dem tödlichen Angriff hatte er eine Wohnung in Wittstock erhalten. HEIKE KLEFFNER

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