„Arbeit gegen rechts wird gefährdet“

Sachsen-Anhalts Ausländerbeauftragter Günter Piening kritisiert die neue CDU/FDP-Regierung, weil sie beim Kampf gegen Rechtsextremismus spart

Interview EBERHARD SEIDEL

taz: In Sachsen-Anhalt wurde die von der PDS tolerierte SPD-Regierung kürzlich von einer CDU-FDP-Koalition abgelöst. Wirkt sich der Regierungswechsel auf Ihre Arbeit aus?

Günter Piening: Ja. Sachsen-Anhalt hat in den letzten Jahren eine relativ liberale Ausländer- und Flüchtlingspolitik betrieben und den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen gefördert. Das ist nun gefährdet. Konkret sind zwei Dinge im Koalitionsvertrag angekündigt: Die Förderung des Verein Miteinander e. V., der das Rückgrat des Programms Weltoffenes Sachsen-Anhalt war, soll auslaufen. Zweitens soll der Ausländerbeauftragte, der bislang weitgehend weisungsungebunden arbeitete, in das Innenministerium eingegliedert werden. Das bedeutet de facto die Abschaffung des Amtes.

Was sollte mit dem Programm Weltoffenes Sachsen-Anhalt erreicht werden?

1998, nach dem Einzug der DVU in den Landtag, wurde das Programm aufgelegt. Der Politikwechsel bestand darin, dass man sagte: Wir haben ein starkes Rechtsextremismusproblem, das kein sozialpädagogisches, sondern ein politisches ist, das tief in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht. Deshalb müssen Demokratieansätze vor allem auf dem flachen Land gestärkt werden. Darüber hinaus wurden alle Ministerien darauf verpflichtet, zu untersuchen, was sie in ihrem Bereich zur Demokratieentwicklung beitragen können.

Gab es für diese Politik einen parteiübergreifenden Konsens?

Nein, die damalige CDU-Opposition hat sie immer als zu einseitig kritisert, da der Linksextremismus nicht berücksichtigt würde. Dazu sage ich: Natürlich gibt es auch Linksextremismus. Die gesellschaftlichen Gefahren gehen aber derzeit eindeutig vom Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit aus.

Würden Sie sagen, dass das Programm ein Erfolg war?

Die rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten sind zurückgegangen. Aber das ist für mich nicht das entscheidende Kriterium. Wichtiger ist, dass sich Ausländer in Sachsen-Anhalt besser akzeptiert fühlen. Die Angst, allein gelassen zu werden, ist für Opfergruppen nicht mehr so dominierend wie früher. Auch Leute und Gruppen, die etwas gegen die fremdenfeindliche Stimmung tun wollen, fühlen sich besser unterstützt. Dieses ist sehr wichtig, denn wer Rechtsextremismus im Alltag thematisiert, läuft immer Gefahr, als „Nestbeschmutzer“ ausgegrenzt zu werden.

Sie sagen, Ihr Amt wird de facto abgeschafft, wenn Sie künftig dem Innenminister unterstellt werden. Warum?

Damit wird faktisch der unabhängige Konfliktmoderator abgeschafft, der ich laut Arbeitsvertrag sein soll. Sachsen-Anhalt gehörte bislang zu den Bundesländern, in denen der Ausländerbeauftragte große Gestaltungsspielräume hatte, eigene Initiativen zu ergreifen und auch in der Öffentlichkeit kritische Anmerkungen zur Politik der Landesregierung zu machen. Mich ausgerechnet dem Innenministerium anzugliedern, wo in der Sache in der Ausländerpolitik und -arbeit die meisten Konflikte entstehen, ist nicht nachzuvollziehen.

Aus Ihrer Sicht vielleicht, nicht aber aus Sicht rechtskonservativer Politiker. Auch Hamburg gibt der Ausländerbauftragten der Bürgerschaft den Laufpass. Zeichnet sich hier ein neuer Trend ab?

Ob das bereits ein neuer Trend ist, das werden wir beim morgigen Treffen der Ausländerbeauftragten des Bundes und der Länder in Wolfburg intensiv diskutieren müssen. Eines ist klar: Weitgehend weisungsungebundene Ausländerbauftragte sind bei so einer vielfältigen Thematik wie der Gestaltung von Integration und Zuwanderung notwendiger denn je.