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Schritt für Schritt nach Europa

Der britische Liberale Paddy Ashdown vertritt jetzt die internationale Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina

SPLIT taz ■ Mit dem Briten Paddy Ashdown übernahm gestern ein profilierter europäischer Politiker den Posten des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Der neue Mann versprach sogleich, Kontinuität zu wahren und die „erfolgreiche“ Arbeit seines Vorgängers, des österreichischen Diplomaten Wolfgang Petritsch, fortzusetzen. Kontinuität heißt, die nationalistischen Kräfte in Schach zu halten und gegen Widerstände aus ihren Reihen zu versuchen, dem Land eine alle Bevölkerungsgruppen einigende, demokratische Zukunft zu geben.

Nach der Wiederaufbauphase gelang es dem seit 1999 als Hohem Repräsentanten fungierenden Petritsch die Frage der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen vorwärts zu bringen. Der Bevölkerung in Erinnerung werden die Eigentumsgesetze bleiben. Jeder Flüchtling und Vertriebene hat das Recht, das im Krieg und durch die ethnischen Säuberungen verlorene Eigentum zurückzuerhalten. Petritsch scheute sich nicht, alle Politiker abzusetzen, die versuchten, die Politik der internationalen Gemeinschaft zu sabotieren. Zuletzt gelang es ihm, durch Verfassungszusätze den Gesamtstaat zu stärken und die Reform des Justizsystems einzuleiten.

Auch auf wirtschaftlichem Gebiet hat sich einiges getan: Unter Petritsch entstand eine gemeinsame Zollbehörde – eine Voraussetzung, um Bosnien und Herzegowina wieder zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zu machen. Mit der Aufnahme Bosnien und Herzegowinas in den Europarat wurde der erste Schritt zur Integration nach Europa getan.

Viele Diplomaten in Sarajevo glauben, dass mit Ashdown ein Nachfolger gefunden wurde, der seine Autorität nutzen wird, um das Land voranzubringen. Der 1941 geborene Ashdown ist als ehemaliger Marineoffizier militärisch bewandert. Erfahrungen in internationalen Organisationen bringt er mit, in den Siebzigerjahren war er in UN und OSZE aktiv. Auch politisch hat er Meriten erworben: Als Mitglied der Liberalen Partei gewann er in Südengland 1979 ein Direktmandat, wurde 1988 Chef der Liberalen. 2000 zog sich Ashdown aus der nationalen Politik zurück.

Schon seine ersten Äußerungen in Sarajevo zeigen, dass der während des Krieges 1992–95 für eine „starke internationale Aktion“ eintretende Politiker auch heute die Lage in Bosnien einzuschätzen weiß. Nach Informationen aus Sarajevo wird er vor allem die Justizreform voranbringen. Weiter wird von ihm erwartet, dass er alles daran setzen wird, mutmaßliche Kriegsverbrecher nach Den Haag zu bringen. Als Exmilitär könnte der „kurze Amtsweg“ zu den im Lande befindlichen britischen Spezialkräften von Vorteil sein.

Dass die „Peace Implementation Conference“, in der mehr als 54 Staaten und internationale Organisationen wie UN, OSZE oder Weltbank in Bezug auf Bosnien zusammenwirken, mit Ashdown einen Politiker zum Hohen Repräsentanten gewählt hat, der nationalistische Positionen ablehnt, heißt auch, dass der pro-europäische Kurs der internationalen Gemeinschaft fortgesetzt wird. ERICH RATHFELDER

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