: Fischereiflotten zu Altmetall
8.600 Fangschiffe will EU-Agrarkommissar Fritz Fischler abwracken lassen, damit die Meere nicht weiter leer gefischt werden. Weil vor allem die spanische Flotte weniger Europa-Subventionen erhalten würde, versucht Madrid die Reform zu verhindern
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Zumindest Haie, Seevögel und Delphine würden mit den gestern veröffentlichten Vorschlägen zur Fischereireform zufrieden sein. Sie sollen künftig in Ruhe groß werden können, statt als Beifang im Netz zu verenden. Der Entwurf von Agrarkommissar Franz Fischler, der in den vergangenen Wochen schon im Vorfeld für viel Aufregung gesorgt hatte, sieht großmaschigere Netze, Schutzzonen und Ruheperioden vor, in denen bestimmte Gebiete überhaupt nicht befischt werden dürfen.
Die Fischindustrie und die spanische Regierung hatten gegen Fischlers Pläne protestiert und versucht, über die spanische EU-Kommissarin de Palacio Einfluss auf den Inhalt zu nehmen. Der Österreicher hatte das Maßnahmenpaket zweimal verschoben. Im Brüsseler Haifischbecken wurde gemunkelt, er habe sich dem Druck des amtierenden spanischen Ratspräsidenten Aznar gebeugt.
Tatsächlich geht es bei dem Streit nicht nur um Artenschutz, sondern vor allem um sehr viel Geld. Derzeit erhält die spanische Flotte den Löwenanteil der Strukturhilfen (1,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2000 bis 2006). Deutschland und Großbritannien erhalten im gleichen Zeitraum je 221 Millionen Euro. Fischlers Plan sieht vor, einen Teil der Mittel umzuwidmen. Statt noch größere und modernere Schiffe zu bauen, die die ohnehin gefährdeten Bestände vollends vernichten, sollen Fischer Zuschüsse erhalten, wenn sie ihre Schiffe abwracken.
Nach Meinung von Experten müssen die Fangkapazitäten je nach Region und Fischart zwischen 30 und 60 Prozent reduziert werden. 8,5 Prozent der EU-Fischfangflotte sollen verschwinden – 8.600 Schiffe müssten also verschrottet werden. Die Kommission will dafür Zuschüsse zahlen. Nach ihren Berechnungen würden, wenn die aus Sicherheitsgründen nötigen Modernisierungsmaßnahmen für die verbleibende Flotte finanziert sind, im Zeitraum 2003 bis 2006 rund 460 Millionen Euro übrig bleiben, mit denen Umschulungsmaßnahmen für Fischer gefördert werden könnten. Für das kommende Jahr verlangt die Kommission zusätzlich 272 Millionen Euro Abwrackhilfe und 88 Millionen Euro für soziale Maßnahmen.
Die Cuxhavener CDU-Abgeordnete und Fischereiexpertin Brigitte Langenhagen hat Franz Fischler in den vergangenen Wochen mehrfach unterstellt, er habe sich dem Druck der spanischen Regierung gebeugt. In einer ersten Reaktion sagte sie gestern: „Im Grunde hat er dem Druck standgehalten. Die Berechnungsgrundlagen müssen wir allerdings nachprüfen. Für den Flottenbestand gibt es in den Mitgliedsstaaten keine einheitliche Datenbasis.“
Heute wird Fischler seine Vorschläge dem Parlament vorlegen. Dort werden sich, wie schon in der Vergangenheit, Abgeordnete aus Irland, Dänemark und Großbritannien heftige Interessengefechte mit den südlichen Seefahrern aus Spanien, Italien und Portugal liefern. Franz Fischler flehte gestern in ihre Richtung: „Wir sollten aufhören, aus der Fischereipolitik ein Spiel Süd gegen Nord zu machen.“
Stattdessen ist zu fürchten, dass dieses Spiel nun in die nächste Runde geht. Empörte spanische Journalisten fragten den Österreicher gestern, wieso er seine Vorschläge drei Wochen vor dem letzten Gipfel unter spanischer Präsidentschaft in Sevilla vorlege. Damit schade er dem Image des spanischen Regierungschefs Aznar, der Bestandsschutz für seine Fischer gefordert hatte. Fischler fragte zurück, wie es wohl in der Öffentlichkeit wirken würde, wenn er seine Reformpläne von spanischen Prestigeangelegenheiten abhängig machen würde.
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