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Bend Your Knees

■ Vor allem Spaß: Der Grazer Pädagoge Günter Gerngroß führte in Bremen vor, wie Kindern ganz anders der Zugang zur englischen Sprache vermittelt werden kann

Ein weißhaariger Herr hüpft fröhlich im Rhythmus seines Satzes, zwanzig Kinder um ihn herum machen mit, fassen sich an die Nase, wenn er „touch your nose“ sagt, gehen in die Beuge, wenn es heißt: „bend your knees“ – Englisch Lernen kann Spaß machen. Das demonstriert Günter Gerngroß, Professor in Graz, in diesen Tagen vor bremischen und niedersächsischen Lehrerinnen. Eine Klasse aus der Andernacher Straße, die schon seit Monaten mit der Methode „Playway“ unterrichtet wird, war am Dienstag das Demonstrationsobjekt.

In Österreich wird Englisch seit 1983 an den Grundschulen unterrichtet, inzwischen schon ab der ersten Klasse. Das gilt auch für Baden-Württemberg, die anderen Bundesländer ziehen jetzt wenigs-tens mit zwei Wochenstunden Englisch für die Drittklässler nach. Der Klett-Verlag bietet den Lehrern multimediale Unterrichtshilfen an, von denen sie für andere Fächer nur träumen können.

Denn Gerngroß hat seine Curricula nach modernen lernpsychologischen Erkenntnissen erarbeitet. „Die Motivation beim Lernen hängt in hohem Maß davon ab, ob sich die Lernenden mit den Lehrinhalten identifizieren“, ist der erste Kernsatz. Es werden Geschichten erzählt, Rollenspiele vor- und nachgesprochen. Aber natürlich nicht nur gesprochen. Bewegung, Hören, Singen, Rhythmus, visuelle Medien – mit allen Sinnen lernen die Schüler am besten, sagen die Entwicklungspsychologen. Es sollen die verschiedenen „Intelligenzen“ angesprochen werden. Und unter dem Stichwort „teacher friendlyness“ soll den Lehrern jede erdenkliche Hilfe angeboten werden.

Zum Beispiel gibt es alle „stories“, über die der Unterricht aufgebaut ist, auch auf CD, gesprochen von „native speakers“. Selbst wenn die Aussprache eines Englisch-Lehrers nicht perfekt ist – die Schüler hören es perfekt. Der Lehrer soll auch einfache Anweisungen im Klassenraum auf englisch geben – „Primary classroom English“ heißt das Buch, dass für die Lehrer alle denkbaren Klassenraumsätze erklärt. Für die Schüler, die eher visuell lernen, gibt es die Stories auf Video, es gibt „word cards“, auf denen die englischen Worte in großen Lettern gedruckt sind, und „picture cards“, die die Bilder zu denWorten zeigen. die Schüler bekommen ein „Pupil's Book“ und ein „Aktivity Book“, die LehrerInnen einen 350 Seiten dicken Ringbuch-Ordner „Teacher's Book“, in dem beispielhaft alle Schulstunden, also alle „stories“, wie in einem Drehbuch beschrieben sind. Mit Vorschlägen für den Einsatz der Medien.

Die Kinder, das sind die Lernziele des ersten Schuljahres, sollen die Fremdsprache „als Mittel der Kommunikation erleben“. Hörverstehen und Sprechen stehen im Vordergrund, ein wenig Lesen, das Schreiben kommt später. Und wieder: „Die Kinder sollen mit allen Sinnen erleben, dass das Lernen einer Fremdsprache Spaß macht.“ Das ist das Entscheidende, denn wenn sich einmal die Einstellung breit macht, dass Schule doof sei, dann ist die Bereitschaft zum Lernen beschädigt. Das ist im Grunde die Philosophie, mit der bisher der beim Roten Kreuz untergekommene Paul Lindsay „Early English“ in vielen Kindergärten in Bremen anbietet – nur hat der Grazer Professor einen größeren Apparat und den Klett-Verlag an seiner Seite, die die Materialien anbieten. Mit „touch your nose“, „clap your hands“, „open your eyes“, „shake your hands“ – beim Thema „My Body“ (Lektion 7) konnte der Grazer Pädagoge natürlich ordentlich Bewegung in den Unterricht bringen.

Das Schöne: Die Kosten für das neue Material übernimmt das Bildungsressort – sie gehen also nicht zu Lasten der Lehrmitteletats der Schulen. Um den GrundschullehrerInnen über die Barriere zu helfen, die das neue Fach bedeutet, bietet der Klett-Verlag sogar einen kostenlosen „Newsletter“ für Frühenglisch an (unter www.klett.de). Bei so viel „teacher's friedlyness“ bleibt nur ein Risiko: Die Schulkinder könnten Geschmack an dem ganz anderen Unterricht bekommen und die Erwartung entwickeln, dass die anderen Fächer auch so viel Spaß machen könnten wie Early-English.

K.W.

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