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träumen amöben im drogenrausch von ihrer steuererklärung? von KATHRIN PASSIG

Drogen werfen ihre Benutzer gern auf ein frühes Evolutionsstadium zurück, in dem Tatendrang und Willenskraft etwa so ausgeprägt sind wie bei den kleinen Amöben und Moosen. „Wollt ihr nicht auch mal eure Steuererklärung machen oder wenigstens laufen und sprechen lernen, kleine Amöben und Moose?“ – „Ach nee, wie anstrengend ist das denn? Wir wollen nur hier sitzen, den Sonnenuntergang betrachten und ein wenig Photosynthese betreiben. Fragen Sie doch in zehn Millionen Jahren noch mal.“ Entsprechend umständlich gestaltet sich jede Konversation.

„Weißt du“, sagt H. und fuchtelt mit den Händen, „es ist so ein Gefühl von … Dings … mir fällt das Wort nicht ein …“ – „Synästhesie“, helfe ich aus. „Genau das! Woher wusstest du!“, freut sich H. Als Nächstes wird er was mit Empathie sagen wollen. Wie viel praktischer wäre es doch, die beschränkten Gedankengänge von Menschen, die unter dem Einfluss halluzinogener Drogen stehen, einfach durchzunummerieren. Es fällt einem in diesem Zustand ohnehin schwer genug, sie mitzuteilen.

Mühevoll zu erläuternder Unfug wie „Drogen eröffnen in der Mathematik der Gefühlsregungen ganz neue Räume, so wie zwischen den ganzen Zahlen unendlich viele komplexe Zahlen barbel gnabarbel“ ließe sich durch eine bequeme „12!“ ersetzen. „2!“ erwidert das erstaunte Publikum, anstatt umständlich ausführen zu müssen: „Genau den gleichen Gedanken hatte ich auch gerade! Zufall oder Synchronizität?“

Zu den Drogen bräuchte nur ein Faltblatt ausgeliefert zu werden, auf dem alle notwendigen Äußerungen verzeichnet sind – von „1“ wie „Du hast da ein Auge auf deiner Nase“ bis „20“ wie „Wäre es nicht prima, wenn die Wochenendbeilagen so eine Rubrik hätten, für zum Ankucken, wenn man Drogen genommen hat? In den meisten Wochen könnte man die dann einfach leer lassen.“

Das Ausleihen von Videos zur abendlichen Unterhaltung erübrigt sich, wenn einem die eigene Telefonnummer oder Schuhgröße genug zu denken gibt. Das von Mutters Fitnesswaage angezeigte Körpergewicht ersetzt die halbe Konversation. Abend für Abend würde sich zeigen, wer wem zahlenmäßig überlegen ist, und man käme viel öfter als früher dazu, mal eine Nummer zu schieben. Dass das Verfahren bewährt ist, kann man an der Speisekarte jedes halbwegs gut sortierten asiatischen Takeaway erkennen.

Mit Hilfe der gleichen Technik lassen sich ganze Bücher über die mystischen Feinheiten des Drogenkonsums auf handliches Format zusammenkürzen: 13, 19, 8, das steht schon bei Timothy Leary. Und mit ein paar Erweiterungen sollten eigentlich auch geisteswissenschaftliche Taschenbuchreihen davon profitieren; nötig wäre nur ein einziges dünnes Bändchen mit dem Ideenverzeichnis von 1 bis 100. Das restliche Verlagsprogramm passt dann auf Postkarten.

Letztlich wären sogar die Themen dieser Kolumne ein wenig zu kondensieren von „1“: „Neulich, beim Einkaufen“ bis „40“: “Neulich, im ICE zur Buchmesse“. Der so geschaffene Platz kann dann ja einfach leer bleiben, siehe oben.

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