: schirrmacher über walser
„Aufregend und bekämpft“
„Jetzt erst, seit Erscheinen seines Romans ‚Ein springender Brunnen‘, erkennen wir die staunenswerte Lebenslogik dieses Unternehmens, ja fast scheint es, als sei manches von dem, was er zuvor geschrieben hat, ein großes Abräumwerk gewesen: Abräumen von Worthülsen, Meinungsschutt, überhaupt von fremder, also unfreier Rede. Aufregender und bekämpfter ist der Selbstfindungsprozess eines mittlerweile Siebzigjährigen kaum je gewesen; frappierender jedenfalls sind literarische und reale Geschichten selten zusammengefallen.
[…] Das war der Augenblick, in dem Martin Walser über Deutschland zu reden begann. Er sprach über Deutschland wie über eine Familiengeschichte. Er zerstörte die Schlagworte, indem er sich auch als Person, öffentlich, fast selber zerstören ließ. Die Aufregung des in den Wonnen des Status quo eingeschlummerten Landes war erheblich. Heute wissen wir, dass aus dieser Operation eine der stärksten Rehabilitierungen des Intellektuellen in der Nachkriegszeit hervorging.“ (Schirrmacher in der Paulskirche, 11. Oktober 1998)
„Ich habe, lieber Herr Walser, in meiner Laudatio in der Frankfurter Paulskirche eine Summe Ihres Werkes und Wirkens gezogen. Ebenso klar sage ich, daß ich fatal finde, was Sie jetzt zu tun im Begriff sind. […] Verstehen Sie, daß wir keinen Roman drucken werden, der damit spielt, daß dieser Mord fiktiv nachgeholt wird? Verstehen Sie, daß wir der hier verbrämt wiederkehrenden These, der ewige Jude sei unverletzlich, kein Forum bieten werden? […] Sie, lieber Herr Walser, haben oft genug gesagt, Sie wollten sich befreit fühlen. Ich glaube heute: Ihre Freiheit ist unsere Niederlage.“ (Schirrmacher in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, 29. Mai 2002)
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