: Studieren, aber dalli
Wissenschaftssenator Lemke will Studis Beine machen / AStA spricht von Schikane
„Wissenschaftsdeputation will Studis schikanieren!“, erregt sich der Allgemeine Studentenausschuss (AStA). Der Grund: Besagte Depu hat eine Vorlage aus dem Haus von Bildungs- und Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) zur Kenntnis genommen, die schon mal andeutet, wie‘s werden könnte, wenn es ein neues Hochschulgesetz gibt. Damit beschäftigt sich das Parlament zwar erst im Herbst, aber die Vorlage aus Lemkes Haus scheint steil. Um die „Erhöhung des Studienerfolgs an der Universität“ geht es da, im Klartext: Mehr Studis sollen in kürzerer Zeit ihren Abschluss machen.
Das steht im ersten Absatz, der Rest der Vorlage beschäftigt sich dann vor allem mit der negativen Lesart des Themas: mit Langzeitstudierenden und wie ihnen Beine zu machen sei. Mit einer Regelung nämlich, die festlegt, dass Prüfungen im selben Semester wie zugehörige Seminare zu absolvieren seien, und die außerdem „besagt, dass Prüfungsleistungen, die nicht in dieser Frist erbracht und bewertet worden sind, als nicht bestanden gelten.“
Wie Sitzenbleiber würden künftig solche Kommilitonen behandelt, fürchtet Tim Cordßen vom AStA-Vorstand. Was bisher individuell zwischen Professor und Studi vereinbart werden konnte, soll künftig derart reglementiert sein, dass einem nicht viel dazwischenkommen darf. Mehr noch: Nach dem einen als durchgefallen gewerteten Auslasser gibt es nur noch eine Chance, die Prüfung zu wiederholen. Wer‘s dann nicht schafft, hat Pech gehabt.
Nicht minder stringent sind die Ideen aus dem Hause Lemke, wie künftig mit Langzeitstudierenden und solchen, die es werden könnten, zu verfahren sei. „Die Hochschule informiert sich am Ende der Studieneingangsphase über den bisherigen Studienverlauf der Studierenden und führt erforderlichenfalls eine Studienberatung durch“, heißt es in dem Papier, und weiter: „Auf diese Weise werden die Fachbereiche gezwungen, sich mit jedem einzelnen Studierenden zu befassen, und diese erhalten frühzeitig eine Rückmeldung über ihre Leistungen, so dass gegebenenfalls gemeinsam entschieden werden kann, ob das Studium mit Aussicht auf Erfolg fortgesetzt werden kann, ein Fach- oder Hochschulwechsel oder auch eine andere Art der Ausbildung angezeigt ist.“ Weiterhin sollen Studis, die die Regelstudienzeit um vier Semester überschreiten, an einer „besonderen Studienberatung“ teilnehmen. Sitzen sie das aus, „so sollen sie exmatrikuliert werden.“
Was bisher Studienordnungen für einzelne Fächer vorsahen, soll nun vereinheitlicht und damit verbindlich für alle werden. „Wenn jemand wirklich wegen der Mitnahmeeffekte wie Semesterticket oder ähnliches eingeschrieben ist“, echauffiert sich Studentenvertreter Cordßen, „wie will ich das denn in einer solchen Beratung herausfinden?“ Und wer werde schon die obligatorische Studienberatung versäumen, wenn‘s um den Studentenstatus gehe, sagt Cordßen, dem eines in der Vorlage völlig fehlt: „Auf die individuelle Lebensplanung wird überhaupt nicht mehr eingegangen.“ Es gebe durchaus Studierende, die ihr Studium so geplant hätten, dass es eben einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme. Cordßen nennt sich selbst als Beispiel: Er werde seinen Abschluss kaum in der Regelstudienzeit schaffen, denn „ich werde weiterhin in der Hochschulpolitik engagiert bleiben.“
Jörg Jäger hat für solche Leute wenig übrig. Bei dem wissenschaftspolitischen Sprecher der CDU klingt es genau anders herum: „Studieren ist nicht Lebenszeitgestaltung“, sagt er, man habe sein Studium „zielführend“ durchzuziehen. Es gehe aber, fügt Jäger hinzu, ausdrücklich nicht um Leute, die ein Kind bekommen oder sich um einen Pflegefall in der Familie kümmern müssten. Wohl aber um solche, die nebenbei jobben, um ihr Studium zu finanzieren – für sie solle es keine Ausnahmen geben, findet Jäger. Ihm geht es vor allem um die, „die ständig Sozialvorteile genießen oder aber völlig orientierungslos durchs Studium vegetieren.“ Es müsse künftig klar sein, „was von Studierenden erwartet werden kann.“ Und was von Professoren erwartet wird: mehr Betreuung.
Hermann Kuhn von den Grünen sieht die Sache relativ gelassen. Er wertet die Vorlage als „Ankündigung“, die noch auszudiskutieren sei. Kuhn teilt die AStA-Kritik an Lemkes Vorlage, wenngleich er die vorgesehene Beratung „als Angebot“ begrüßt. Das werde sicherlich von vielen als Zwangsberatung interpretiert, schätzt Kuhn, aber es gebe viele Studenten, „die das brauchen.“ Seine Kritik setzt auf einer anderen Ebene an. Der aktuelle Ansatz habe den „völlig falschen Fokus“. Man müsse den Studierenden, die zügig studieren wollen und können, das auch ermöglichen – auch unterhalb der Regelstudienzeit. Jetzt werde stattdessen eine „Druckkulisse“ aufgebaut, „die möglicherweise bei einer Handvoll wirkt“ - aber die, sagt Kuhn, seien nicht das Problem.
AStA-Mann Cordßen hofft auf die Macht des Faktischen. Nach den neuen Plänen käme auf die Uni noch mehr Verwaltungsarbeit zu. „Das schaffen die nie“, sagt Tim Cordßen, „die schaffen‘s ja nicht mal, die Semestertickets pünktlich zu schicken.“
Susanne Gieffers
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