: Ein liberaler Admiral in schwerer See
Hamburgs Schulsenator Rudolf Lange hat nicht nur die Opposition gegen sich aufgebracht, sondern auch Lehrer- und Elternverbände. Statt wie versprochen 400 Lehrer einzustellen, will er Stellen streichen und Gesamtschulen schließen
HAMBURG taz ■ Das liberale Flaggschiff hat beträchtliche Schlagseite. Auf Hamburgs Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hageln Rücktrittsforderungen von allen Seiten ein. Die Opposition aus SPD und GAL hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aufgefordert, den 60-jährigen Konteradmiral a. D zu entlassen; die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die Kammern der LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen ebenfalls.
Mit Worten wird dabei nicht zimperlich umgegangen: „Inkompetenz auf der ganzen Linie, ein unglaublicher Umgang mit Personal und einen moralischen Angrund an Lügen, Täuschung und Diffamierung“ attestiert GEW-Vorsitzende Stephanie Odenwald dem Senator. Er sitzt als einziger Freidemokrat im Hamburger Rechtssenat aus CDU, Schill-Partei und FDP und sorgt dort für das, was er „die liberale Handschrift“ nennt.
Seit Lange am Donnerstagabend in der Bürgerschaft der Hansestadt einen Eklat provozierte, fährt er in schwerer See. Er hatte sozialdemokratischen Spitzenbeamten seiner Behörde, die er bei Amtsantritt vor sieben Monaten übernehmen musste, im Parlament die Qualifikation abgesprochen. Eine „öffentliche Hinrichtung“, befanden Rote und Grüne, die deshalb wutentbrannt aus der Sitzung auszogen.
In Abwesenheit der Opposition hatte Lange daraufhin de facto das Aus verkündet für ein Lieblingskind der Sozialdemokraten: die Gesamtschulen. Rund 10 Prozent ihrer Lehrerstellen sollen diese bereits zum neuen Schuljahr im August verlieren, fast die Hälfte der insgesamt 345 Lehrer, die Lange streichen will. „Das ist der Tod dieser Schulform“, konstatiert selbst Arno Becker vom eher konservativen Lehrerverband Hamburg.
Doch nicht nur der „Abbau von Bildung“ empört die Interessenverbände, sondern die Tatsache, dass das Gegenteil versprochen wurde. 400 zusätzliche Lehrer sollten eingestellt werden, so der Koalitionsvertrag des Rechtssenats, um die steigenden Schülerzahlen aufzufangen und das „Reformvorhaben Abitur in zwölf Jahren“ zu ermöglichen. Geblieben davon sei „ein klammheimliches Rollback in der Bildungspolitik“, meinen die Verbände. Weder Lange noch andere Schulpolitiker der Koalition sprechen offen aus, was sie vorhaben: Das Ende der vermeintlichen Gesamtschul-Gleichmacherei zugunsten angeblicher Schülereliten. Von den Ergebnissen der Pisa-Studie zeigen sie sich unbeeindruckt, wonach in anderen Ländern die „Schule für alle“ erfolgreicher ist als die frühe Selektion im dreigliederigen deutschen Schulsystem. Der Bildungsadmiral hingegen will „klar auf Kurs“ bleiben und auch den 12. Juni überstehen. Dann wollen SPD und Grüne seinen Rücktritt erzwingen.
SVEN-MICHAEL VEIT
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