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All Black and Hairy

20 Jahre nach der Gründung in alter Besetzung in der Markhalle auf der Bühne: Mit einem Revivaldes Revivals wollen es die Neo-Sixties-Garagisten „The Fuzztones“ noch mal wissen

Inzwischen rollen Retro-Wellen unterschiedlicher Höhe im Monatstakt an die Gestade unserer Wahrnehmung. Gestern „Brauner Bär“, heute der „Denver Clan“, morgen womöglich Meg Ryan – wie es euch gefällt, denkt man nur.

Mitte der 80er Jahre war das anders. Da war man arg irritiert, als gesunde, junge Menschen unvermittelt Turnschuhe gegen spitze Chelsea-Boots tauschten, den gepflegten Seitenscheitel durch merkwürdige Topfdeckelschnitte ersetzten und sich Paisley-Unterwäsche zum Geburtstag wünschten. Schuld daran war nicht zuletzt eine Horde langhaariger New Yorker, die 1985 mit Sonnenbrillen, Farfisa-Orgel und Vox-Gitarren durch Europa zogen, sich The Fuzztones nannten und dem aufkeimenden Sixties-Revival zu schillernder Blüte verhalfen.

Auf authentischen Original-Instrumenten coverten sie damals wenig bekannte Sixties-Garagen- und Psychedelic-Hits und etablierten ihr Erscheinungsbild zwischen schwarzem Existentialisten-Look und haarigen Beatles-Imitationen als „The new Cool“: „All Black & Hairy“ eben, wie es in einem ihrer Standards hieß.

Das musikalische Anliegen der Band war schnell durchschaut: Exakt so wie ihre Vorbilder aus dem Jahr 1966 wollten die Fuzztones klingen – wie die Sonics, die Shadows of Knight, die Seeds und all die anderen Garagenhelden. Musikalische Entwicklung war nicht gefragt. Den konservativen Beigeschmack des „Früher-war-alles-besser“ wischte die Band mit einem großen Interesse an Drogen und Sex vom Tisch. Noch heute werden an manchem Retro-Stammtisch Geschichten wiedergekäut, wie sich entblätternde Provinzschönheiten zu Sänger Rudi Protrudi auf die Bühne gingen und unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen zu Go-Go-Girls mutierten. Oft genug hielt es Teile der Band selbst nicht mehr in ihren Kleidern.

Über 20 Jahre nach Gründung der Band mögen Protrudis Gesichtszüge nicht mehr ganz so straff sein, könnten sich die traurigen Gerüchte über seine Aushilfsjobs in holländischen Strip-Lokalen herumgesprochen haben, und doch war die Aufregung in den Resten der Neo-Sixties-Welt groß, als er nach mehr als einen Jahrzehnt Trennung wieder gemeinsam mit Fuzztones-Co-Gründerin Deb O‘Nair auf Tour ging. Schließlich klang der psychedelische Garagen-Punk mit all seinen Coverversionen aus den Tiefen der amerikanischen Sixties, nie besser als in den ersten fünf Jahren mit Deb O‘Nair an der Orgel und Rudi an der Vox-Phantom-Gitarre.

Gregor Kessler

heute, 21 Uhr, Markthalle

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