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Jam-Session im Taxi

Anke Engelke und Olli Dittrich treffen sich in „Taxi nach Schweinau“ zum zweiten Mal ohne Drehbuch auf ein „Blind Date“ (Sa., 22.25 Uhr, ZDF)

von HEIKO DILK

Manchmal stellen sich einige Musiker auf die Bühne, Jazzmusiker meistens. Sie nehmen ihre Instrumente und spielen einfach drauf los. Ohne Noten, ohne Plan, was sie spielen werden. Nicht nur für musikalisch gänzlich unbegabte Zeitgenossen ist das beeindruckend. Die Hochachtung für die handwerkliche Perfektion ist eine Sache. Die andere ist die Spannung, die entsteht, wenn man nicht weiß, wo es hingeht, wo es endet, und was dazwischen alles passiert. Da geht es den Musikern nicht anders als den Zuhörern.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass Olli Dittrich alias Uwe Ackermann sich in „Blind Date 2 – Taxi nach Schweinau“ als Musikalienhändler entpuppt und indische Sitarmusik ein Schlüsselrolle spielt. Es ist eine televisionäre Jam-Session. Ohne Drehbuch und ohne Absprache treffen sich Olli Dittrich und Anke Engelke. Klar ist nur: Sie ist Taxifahrerin, er Fahrgast. Keiner wusste vorher, wie der andere aussehen und welche Geschichte er haben würde.

Es ist das faszinierendste Stück Fernsehen seit langem geworden. Dittrich und Engelke finden sich virtuos in ihre Rolle hinein und geben nach und nach immer mehr vom Leben des Uwe Ackermann und der „ruhigen Ruth“ preis. Dem anderen und wohl auch sich selbst: Uwe ist auf dem Weg zur Testamentseröffnung seines jüngst verstorbenen Vaters, für den er „aus der Art“ war. „Das ist unser Agent, hat er immer gesacht, den halten wir geheim“, zitiert er seinen Vater, den Metzger, der ihn auch wegen Uwes Vorliebe für Schweine „übers Knie gelegt“ hat. Die Schweinegeschichte ist obskur und ein Trauma für Uwe, den Loser aus dem Bilderbuch.

Über die spröde Ruth erfahren wir wenig aus dem, was sie erzählt. Umso mehr erfahren wir aber dadurch, dass sie sich sträubt, ihr eigenes Trauma preiszugeben. Die „ruhige Ruth“ erzählt nun mal nicht jedem Fahrgast gleich ihre Lebensgeschichte, die offenbar ähnlich abgründig ist wie die von Uwe.

Als herkömmliche Comedy kann man dieses Improvisationsfernsehen nicht bezeichnen. Weniger noch als das erste, Grimme-Preis nominierte „Blind Date“. Schon damals wurden die Abgründe in den Biografien der beiden Protagonisten deutlich. Dittrich und Engelke trafen sich als Rainer und Yvonne zu einem „echten“ Blind Date beim Italiener. Ursprünglich für Dittrichs Comedy-Format „Olli, Tiere, Sensationen“ produziert und in kurzen Einzelszenen als Fortsetzung ausgestrahlt, zeigte das ZDF „Blind Date“ bald auch am Stück.

Es ist dem ZDF, das ja ansonsten nicht gerade mit innovativem Fernsehen glänzt, hoch anzurechnen, dass es die 65 Minuten diesmal gleich komplett zeigt. Nur so erschließt sich „Blind Date“ auch auf der nicht sichtbaren Ebene. Man schaut Dittrich und Engelke – oder Uwe und Ruth, man weiß es nicht genau, und gerade das ist so faszinierend – beim Denken zu. In den Pausen, die in der Taxi-Unterhaltung entstehen, fragt man sich ständig und ganz zwangsläufig, wohin die Reise geht. Engelke und Dittrich müssen eben auf zwei Ebenen kommunizieren. Das wird besonders deutlich, als Uwe Ruth zum zweiten Mal das Du anbietet und sie ihn zurechtweist: „Was wird denn das jetzt, Herr Ackermann! Sie gehen aber ran!“ Als wollte sie sagen, „jetzt fang mal nicht das Flirten an, Olli, das hatten wir doch schon im ersten Teil“.

Am Ende verabschiedet Ruth sich von Uwe mit dem Versprechen, ihn auch wieder abzuholen. Eine direkte Fortsetzung wird es wohl trotzdem nicht geben. „Wenn wir das noch mal machen sollten, dann werden wir immer neue Szenarien wählen und immer neue Figuren, damit die Spannung und die Voraussetzung gleich bleiben“, hat Dittrich im ZDF-Interview gesagt. So ist das eben bei einem Blind Date.

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