Internationale Kooperation 2011: Wie weit reicht der Arm des Zensors?

Wer in Belarus Journalist werden will, hat einen dornigen Weg vor sich. Wie können weißrussische Journalisten arbeiten? Ein Seminarteilnehmer berichtet.

Viele junge Menschen streben in den Journalismus. Diese waren in der taz zu Besuch. Bild: Anja Weber

In vielen Staaten ist der Weg zu einer freien Presselandschaft oft erheblich dorniger als in Deutschland. Mit internationalen Kooperationen fördert die taz den unabhängigen Journalismus dort, wo er besonders rar ist. In den östlichen Nachbarländern der EU ist die weitere Entwicklung einer unabhängigen Medienlandschaft einer der wichtigen Voraussetzungen für eine Öffnung der Gesellschaften hin zu einer vertieften Europäisierung.

Unsere Journalismus-Seminare sollen dazu einen Beitrag leisten und es jungen Journalisten aus den Regionen von Belarus, der Ukraine, Moldau und Russlands ermöglichen, sich unter thematischem Bezug ein Bild von journalistischer Tätigkeit in einer deutschen Tageszeitung zu machen. Im Januar 2013 wurde bereits der zweite Osteuropa-Workshop der taz Panter Stiftung durchgeführt. Über 200 JournalistInnen hatten sich beworben. 2014 konnte die taz Panter Stiftung den inzwischen 10. Osteuropaworkshop anbieten.

Wie weit reicht der Arm des Zensors? Das erste Seminar für sechs junge JournalistInnen aus Weißrussland fand ausgerechnet zu einer Zeit statt, als ein neues Gesetz in Kraft trat, das die Unterstützung von Projekten für Weißrussland aus dem Ausland kriminalisiert. Weil noch niemand wusste, wie dieses Gesetz ausgelegt und angewandt werden würde, wurde der zehntägige Meinungs- und Erfahrungsaustausch im November 2011 für unsere Gäste unerwartet zu einer Mutprobe.

„Wer in Belarus Journalist werden will, hat einen dornigen Weg vor sich" schrieb ein Seminarteilnehmer in einem Text über seinen Arbeitsalltag. Wie können weißrussische Journalisten arbeiten? Lesen Sie dazu den Bericht eines Teilnehmers beim Seminar der taz Panter Stiftung: 

Brutales Vorgehen gegen Journalisten

Zentrales Ereignis für den weißrussischen Journalismus waren die Präsidentschaftswahlen von 2010 und deren Begleitumstände. Am 19. Dezember wurde abends mitten in Minsk eine friedliche Protestversammlung gewaltsam aufgelöst. Die Menschen hatten sich auf dem Unabhängigkeitsplatz versammelt, um ihren Unmut über das offizielle Wahlergebnis zu artikulieren. Zahlreiche Berichte sprechen von einem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Journalisten unabhängiger Medien.

Auch eine Akkreditierung bot den Journalisten keinen Schutz vor den Übergriffen. Mehrere Mitglieder der belarussischen Assoziation der Journalisten (BASch) wurden in Gewahrsam genommen. Den Festnahmen folgten die Hausdurchsuchungen der Redaktionen unabhängiger Medien.

Gleichzeitig wurde versucht, die beiden bekanntesten unabhängigen Zeitungen „Nasha Niva" und „Narodnaja Volja" zu schließen. Beide Zeitungen erhielten eine Verwarnung des belarussischen Informationsministeriums. Die unabhängige Radiostation „Autoradio" wurde sogar geschlossen.

Der Besitz eines Journalistenausweises eines belarussischen oder ausländischen Presseorganes reicht bei weitem nicht aus, um über alle Ereignisse recherchieren und schreiben zu können. Hierzu benötigt man eine Akkreditierung. 

Viele beginnen als „Freelancer“

Eine Akkreditierung ist gewissermaßen eine Sondererlaubnis, die die Arbeit an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit ermöglicht. Glücklicherweise haben diese Schwierigkeiten dem Journalismus keinen Abbruch getan. Viele junge Menschen streben in diesen Beruf.

Die meisten von ihnen haben keine journalistische Ausbildung. Sie alle leisten wirklich eine titanische Arbeit. Sie studieren ihre Leserschaft genau, arbeiten sich sehr sorgfältig in das Tätigkeitsfeld eines Korrespondenten ein. Wer Journalist werden will, beginnt in der Regel seine Laufbahn als „Freelancer“.

Viele Journalisten arbeiten in Belarus auf dieser Basis. Sie konzentrieren sich auf ihnen eigene Schwerpunktthemen, häufig auf politische und gesellschaftliche Fragestellungen. Und so sind es gerade die jungen Journalisten, die vor Ort sind und von Massenprotesten und den Verhaftungen der Aktivisten berichten.

Freelancer arbeiten vielfach ohne Vergütung, ein Umstand, der viele von einer journalistischen Laufbahn abhält. Einige junge Journalisten haben ihre eigenen Blogs im Internet, haben sich über ihre Veröffentlichungen in sozialen Netzen eine beträchtliche Leserschaft erworben. Das ist auch den Behörden nicht entgangen. In der Folge sind einige Internetseiten immer dann unerreichbar, wenn Protestveranstaltungen der Opposition angekündigt sind. 

Besonders betroffen hiervon sind die Internetseiten Charta97 und vkontakte.ru. ist zwar ein soziales Netz, doch viele Belarussen richten auf dieser Plattform News-Gruppen zu gesellschaftlichen, politischen oder nachrichtlichen Themen ein. Und dort veröffentlichen sie ihre Artikel neben Nachrichten anderer Internet-Portale. Wer in Belarus Journalist werden will, hat einen dornigen Weg vor sich. Aus dem Russischen: Bernhard Clasen

Das Projekt wurde mit Mitteln der Zeit-Stiftung und der Marion Dönhoff Stiftung unterstützt.