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Geldregen vom Wasserfall

Hamburg verkauft das letzte Viertel HEW für 869 Millionen Euro an den schwedischen Konzern Vattenfall, baut damit Schulden ab und handelt eine dreijährige Arbeitsplatzgarantie für drei Viertel der HEW-Belegschaft aus

Von SVEN-MICHAEL VEIT

Es sei ein guter Tag, behaupteten alle, für Hamburg, für die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), für deren MitarbeiterInnen und für den schwedischen Vattenfall-Konzern ebenfalls: Bürgermeister Ole von Beust und sein Finanzsenator Wolfgang Peiner (beide CDU), Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson, HEW-Vorstand Klaus Rauscher. Und auch HEW-Betriebsratsvorsitzende Angela Ahrnt erklärte, sie sei zumindest „dankbar für die Arbeitsplatzgarantie“: Hamburg verkauft seine restlichen 25,1 Prozent Anteile an den HEW an die schwedische Vattenfall.

Die zahlt dafür 869 Millionen Euro plus eine Kompensation von 96,4 Millionen für künftige Steuerausfälle der Stadt und garantiert den Erhalt von mindestens 3000 Arbeitsplätzen in der Hansestadt bis Ende 2005. Was danach passiert, „ist offen“, räumt Rauscher ein, und Ahrnt sagt, sie sei „optimistisch“. Bürgermeister und Finanzsenator betonen die „standortsichernden Zusagen“ des Konzerns und Josefsson beteuert seine „Verbundenheit mit Hamburg“.

Der Verkauf wurde bereits 1999 vom rot-grünen Senat in die Wege geleitet. Damals erwarb Vattenfall ein erstes HEW-Viertel für 1,7 Milliarden Mark und ging eine bis Ende dieses Jahres geltende Option auf die weiteren 25,1 Prozent zum gleichen Preis ein. Dieser Deal war für die Schweden der „Sprung auf den Kontinent“, wie Josefsson damals sagte, und der Beginn ihrer Expansion.

Mittlerweile basteln sie aus den HEW, der Berliner Bewag und den ostdeutschen Unternehmen VEAG und Laubag den fünftgrößten Energiekonzern Europas mit Sitz in Berlin zusammen. Die HEW, die bereits zu gut 70 Prozent Vattenfall gehören, sind dabei eines der wichtigsten Bauteile, und deshalb waren die Schweden daran interessiert, die Stadt Hamburg mit ihrer Sperrminorität loszuwerden. Dafür legten sie nun nach: Einen Ausgleich für Mindereinnahmen, weil die HEW demnächst in Berlin Steuern zahlen, und die befristete Jobgarantie. Abgebaut wird dennoch erheblich: Etwa ein Viertel der jetzigen rund 4000 Beschäftigten müssen ausscheiden oder mit umziehen in die neue Konzernzentrale in der Hauptstadt.

Und Hamburg, das diese Fusion weder blockieren wollte noch konnte, handelt noch ein bisschen was raus, tilgt mit dem Geldregen Schulden und senkt so seine jährliche Zinslast um etwa 75 Millionen Euro, wie Peiner errechnet hat. Auch deshalb sei der 11. Juni ein guter Tag für alle, wie alle behaupten.

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