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Hunderte im Kongo massakriert

Das Volk der Hema im Nordosten des Kongos beklagt 1.500 Opfer ethnisch motivierter Angriffe in zwei Monaten – allein 400 letzten Samstag. Die Gewalt eskaliert, seit sich örtliche Herrscher mit Präsident Kabila verbündet haben. Greift Ruanda ein?

von DOMINIC JOHNSON

„Es handelt sich um die totale Zerstörung unseres Lebens. Die Dörfer werden verbrannt, das Vieh wird gestohlen. Oft sind es die Kinder und die Frauen, die getötet werden, meistens sind es die alten Leute.“ Jean-Baptiste Dhetchuvi, Sprecher des kongolesischen Hema-Volkes, fürchtet die Auslöschung seiner 400.000 Volksgenossen. Seit April sind nach seiner Rechnung in 73 Hema-Dörfern um die Stadt Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, nahe der Grenze zu Uganda, 1.468 Menschen getötet worden. Zuletzt, berichtet er, gab es am Samstag 37 Tote im Dorf Mandro und 360 Tote in Kparnganza.

Die Täter, sagen die Hema, sind die lokalen Herrschenden: die Rebellenbewegung RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung), eine von Uganda unterstützte Gruppierung. Sie schloss sich im April dem Abkommen von Kongos Präsident Joseph Kabila mit der anderen von Uganda unterstützten Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) an, durch das damals die Kongo-Friedensgespräche in Südafrika platzten. Seitdem hat sie sich, so Dhetchuvi, in ihrem Herrschaftsgebiet mit den Feinden der Hema verbündet – dem Volk der Lendu. Bei Kämpfen zwischen Lendu und Hema im Nordosten Kongos waren bereits 1999 über 25.000 Menschen getötet worden. Die Hema sind Viehzüchter und gelten im ethnischen Puzzlespiel der afrikanischen Großen Seen als Tutsi und daher als ruandafreundlich. Die Lendu sehen sich als den Hutu nahe stehend. So ähnelt die Konstellation der der Hutu-Tutsi-Kriege.

„Seit April finden jeden Tag systematische Massaker statt“, sagt Dhetchuvi. In mehreren Briefen an die UNO haben Hema-Sprecher in Bunia einen „Völkermord“ an ihrer Gemeinschaft beklagt und detailliert aufgelistet, wie Lendu-Milizionäre aus dem Busch heraus zusammen mit RCD-ML-Truppen Hema-Dörfer überfallen.

Der bisher lokale Konflikt droht nun, zum Startsignal für ein Wiederaufflammen des Krieges in ganz Kongo zu werden. Denn seitdem Kongos ugandatreue Rebellen mit Kabila zusammenarbeiten, ist die von Ruanda unterstützte größte kongolesische Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) militärisch isoliert. Beobachter fürchten, dass die Grenzen zwischen RCD und den ugandatreuen Gruppen MLC und RCD-ML Frontlinien eines neuen Krieges werden.

Die RCD und Ruanda bereiten sich darauf bereits verbal vor. Am 5. Juni warf Ruandas Regierung der MLC und der RCD-ML vor, ruandischen Hutu-Milizen „komplette Freiheit“ in ihren Gebieten zu gewähren – Ruandas üblicher Vorwurf, um Aktionen seiner Armee im Kongo zu rechtfertigen. Unbestätigten Berichten zufolge sind ruandische Truppen bereits in der Umgebung der Stadt Butembo im Gebiet der RCD-ML aktiv. Von unabhängiger Seite wird bestätigt, dass sie den Ort Bunyatenge besetzt haben, Stützpunkt von ruandischen Hutu-Milizen südwestlich von Butembo.

Die RCD bestreitet offiziell jede Truppenbewegung. Aber nach den jüngsten Massakern an Hema am Samstag mit 400 Toten stellte sie sich erstmals offen auf die Seite der bedrängten Volksgruppe und verlangte gegen die „Eskalation tribaler Gewalt“ ein Eingreifen der UNO. „Die RCD verlangt die Entmilitarisierung Bunias und die Entwaffnung der bewaffneten Zivilisten und bewaffneten Gruppen in der gesamten Region“, heißt es in der Erklärung vom Sonntag. Hema-Sprecher Dhetchuvi ist über die Erklärung des Lobes voll: „Das ist das erste Mal, dass eine politische Gruppe im Kongo von uns spricht.“

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