: Jenseits der Gesellschaft
Außenseiter, Misanthropen, Depressive: Streckenweise unfröhliches Schauspielhaus-Programm zur nächsten Spielzeit
Die Ankündigung klang ein ganz klein wenig wie die zur vorigen Spielzeit am Thalia-Theater: „Wir wollen Außenseiter der Gesellschaft zeigen, für deren Erwartungen die Welt kein Muster mehr bietet.“ Mit diesem Diktum umschrieb bei der Spielplan-Pressekonferenz Schauspielhaus-Chefdramaturg Michael Eberth den thematischen Schwerpunkt der kommenden Spielzeit, die „im Wesentlichen von den Wünschen der Regisseure geprägt ist“.
Tatsächlich scheinen sich einige von ihnen an einem bestimmten Autor abarbeiten zu wollen: Ibsens Hedda Gabler will Sandra Strunz im Oktober auf die Bühne bringen – fast eine Fortsetzung ihrer Die Frau vom Meer-Inszenierung in dieser Spielzeit im Malersaal; im Zentrum steht abermals Wiebke Puls. Und noch mehr Abonnentenpublikum-Kompatibles ist geplant: Molières Menschenfeind wird sich Jan Bosse widmen – und das mit Sicherheit weniger klamottig als Leander Haußmann, der den Eingebildeten Kranken in der vorigen Spielzeit am Thalia inszenierte.
Soweit, so konventionell. Doch auch dem vom Schauspielhaus entscheidend mit gepushten, derzeit viel gespielten Roland Schimmelpfennig gilt eine Uraufführung im November: Vorher/Nachher heißt das neue Stück, das mit 55 Akteuren bestückt ist und die Desillusionierung spielt.
Einer bizarr-mystsichen Eingebung ist wohl Sebastian Hartmann gefolgt, als er Ernst Barlachs Der arme Vetter avisierte: An den Ufern der Hamburgischen Elbe sucht dort ein Einsamer, draußen Bleibender seinen Weg; „Wir wissen, dass das Stück vor wenigen Jahren am Thalia gespielt wurde, waren aber gespannt auf diese neue Deutung“, so Eberth.
Mannigfache Parallelen also in allernächster Zukunft zu aktuellen und vergangenen Thalia-Programmen. Zeitgleich – auf ebenjener Pressekonferenz – aber auch die Weigerung des Schauspielhaus-Leitungsteams, die Rolle des Hauses in der Hamburger Theaterlandschaft zu definieren. Eberth: „Es ist nicht unsere Aufgabe, hier eine Rolle zu haben. Wir wollen die Probleme des Lebens klären. Platzierungen müssen nicht wir tätigen, sondern wir müssen Angebote machen.“ Petra Schellen
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