village voice
: Katharina Francks neues Album „Zeitlupenkino“

Die Kufen der Sehnsucht

„I’m sleeping on the corner with the blueprint of my lover…“ – wer nicht hartnäckig alle Radiostationen meidet und die Erinnerungen an die Achtzigerjahre ausblendet, kennt Katharina Francks Stimme aus dem erfolgreichsten Song der Rainbirds. Der Name blieb als Fassade, hinter dem Markenzeichen „Rainbirds“ vollzogen sich mit der Zeit allerhand personelle und musikalische Wechsel. Katharina Franck wollte mit ihrer Band mehr verkörpern als eine deutsche Pophoffnung. „Warum sollte ich mich entscheiden zwischen Popmusik oder Kunst?“, fragte sie sich einst.

Kunst und Pop sind nun auch die beiden Pole, zwischen denen sich Katharina Francks neues Soloalbum bewegt. Schon der Titel „Zeitlupenkino“ lässt erahnen, das es auf der Platte tiefsinnig zugeht. Es ist ein musikalisches Reisetagebuch in 13 Titeln, das mit dem „Daa-düü-daa“-Geräusch beginnt, mit dem sich in Berlin die Türen der S-Bahn schließen. Dann setzt Katharina Franck mit ihrem Gedankenstrom ein, erzählt von der Stadt oder lässt ihren Tag Revue passieren. Die Reise führt durch ihr Innerstes, die Musik passt sich den Stimmungswechseln an. Unruhig hin und her zuckende Beats, wenn die Frau in der S-Bahn sich in ihren Gedanken verläuft, später ein Hauch von Flamenco, für den Ausflug nach Spanien.

Kurze, sich ständig wiederholende Melodien legen sich über die Bassbeats, die gleichmäßig wie das Nudeln einer Waschmaschine erklingen. Viele Bilder von Franck bekommen durch elektronische Klangsphären eine weitere Wahrnehmungsebene, alles ist perfekt durchkomponiert. Studiofeinarbeit, wie im „New York City Marathon“ etwa. Katharina Franck erzählt sich durch New York. Straßenecken, chinesische Diner, Fischmärkte, Gallerien. Zwischen die immergleiche Melodie und die immergleichen Rhythmen im Hintergrund mischen sich Stadtgeräusche. Sequenzen mit Straßenlärm, Trompetenklänge aus dem Nachbarzimmer, Geschichten, die Portugiesen auf dem Fischmarkt erzählen. Worte fließen ohne Pause, New York kennt keine Ruhe. Innehalten kommt von Innen, wenn Einsamkeit und Sehnsucht wieder auftauchen. Liebe, Alleinsein, Verzweiflung. Ferne, Fremde, Nähe.

Zwar wirkt die Musik manchmal überkomponiert, eine Idee zu konstruiert, doch Katharina Francks Texte sind vor allem immer Sprachkunstwerke. Sie spielt mit den Worten und ihrem Klang, beschreibt Gefühle ohne sentimentale Klischees. Was sagt das Wort „Liebeskummer“ schon über das Gefühl? Die Sprecherin erzählt lieber vom Schmerz in der Magenschlinge oder von ihrem nackten Körper, der einer Eisbahn gleicht: „Kreuz und quer und hin und her gingen die Spuren, die die Kufen meiner Sehnsüchte in die eiskalte Oberfläche der Haut gezeichnet hatten“.

Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn Katharina Franck ihre ersten Liveauftritte mit dem neuen Material in Literatursalons, Buchhandlungen oder auf einem Literaturfestival hat. Dieses Album will nicht im Hintergrund dudeln. „Dem der zuhört, dem geht es gut“, heißt es programmatisch im letzten Lied. Songs zum Mitsingen gibt es bei aller Liebe zum Text nicht. Bis auf eine Ausnahme: „Sie schickte mir eine Karte aus Cádiz“. Ein kleiner Beweis dafür, dass Katharina Franck sich nicht ganz vom Pop verabschiedet hat. Und dass ihre Popsongs einfach die schönsten sind.

SILKE LODE

Katharina Franck: Zeitlupenkino(Mute/Virgin)