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Mehr Aufsicht bei den Ärmsten

PDS-Senatorin Heidi Knake-Werner propagiert genauere Kontrolle der Sozialhilfekosten als „Transparenz“. Zukünftig müssen Bezirke begründen, warum sie mehr als andere ausgeben. Der Rechtsanspruch soll unangetastet bleiben

Mit festen Beträgen will Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) die Sozialhilfeausgaben der zwölf Bezirke vergleichbarer machen und nach Möglichkeit Kosten sparen. Für jede Gruppe von Hilfeempfängern – etwa Alleinstehende, Ein-Kind-Familien, Großfamilien – soll es einen landesweiten Durchschnittswert geben. Kommt ein Bezirk damit nicht aus, weil etwa bei ihm die Mieten höher sind, kann er einen Nachschlag beantragen. Den soll ein Bezirk aber nur bekommen, wenn er sich die Überschreitung nicht selbst zuzuschreiben hat. Andernfalls muss er die Mehrkosten selbst tragen. „Das dient nicht dazu, die Sozialhilfeleistungen für den Einzelnen zu kürzen“, betonte Knake-Werner.

Hintergrund der vom Senat gestern beschlossenen Verordnung ist, dass Sozialhilfeempfänger ihr Geld nicht direkt von Knake-Werners Verwaltung, sondern von den Sozialämtern der Bezirke erhalten. Die hatten in der Vergangenheit über zu geringe Überweisungen vom Senat geklagt. „Die Bezirke können sicher sein, dass sie die für die Sozialhilfe benötigten Mittel auch bekommen“, sagte die Senatorin.

Die neue Verordnung soll sich zunächst auf Kosten des Projekts „Hilfe zur Arbeit“ beschränken, über das die Bezirke 2001 rund 4.000 Stellen finanziert haben. „Mehr Transparenz bei der Zumessung schafft Vergleichbarkeit“, sagte Knake-Werner. Bisher sei die Verteilung eher „Pi mal Daumen“ und vorrangig nach der Zahl der Hilfeempfänger erfolgt. Dabei sei unter den Tisch gefallen, ob es sich um einen Alleinstehenden oder eine Großfamilie handelte. Das neue Verfahren basiert auf dem Haushaltsstrukturgesetz von 1997, das die Sozialverwaltung laut Knake-Werner als erste Senatsverwaltung umgesetzt hat.

Am gesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe soll sich dadurch nichts ändern. Knake-Werner hielt aber andere Konsequenzen der noch zu errechnenden Durchschnittssätze für möglich: Dass etwa ein Sozialhilfeempfänger in eine billigere Wohnung umziehen muss, weil der Bezirk für die Miete nicht mehr genug Geld vom Land bekommt und der Senat einen Nachschlag ablehnt. Für die Prüfung solcher Nachschläge soll die Sozialverwaltung zuständig sein, nicht der Finanzsenator. Im März hatte Knake-Werner angekündigt, mit dem Durchschnittsprogramm 26 Millionen Euro einsparen zu wollen. Gestern mochte sie keine Summe nennen.

Im Juli steht die Verordnung im Rat der Bürgermeister an. Monika Thiemen (SPD), im Rat Chefin des Sozialausschusses und Bezirksbürgermeisterin in Charlottenburg-Wilmersdorf, sieht darin keinen Versuch, bei Sozialhilfeempfängern zu sparen. Sie teilt Knake-Werners Darstellung von mehr Transparenz.

Ihre bisherigen Informationen hat Thiemen nach eigenen Angaben aber nicht aus dem Haus der Sozialsenatorin, sondern aus Unterlagen von Sarrazins Finanzverwaltung. Knake-Werners Sprecherin Roswitha Steinbrenner beharrte trotz dieser Aussage auf dem Urheberrecht ihrer Verwaltung: „Das ist originär bei uns entstanden.“

STEFAN ALBERTI

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