: Schwul wird selbstverständlich
Am 31. August wird ein bisher namensloser Platz im Viertel nach dem Vorkämpfer der Schwulen und Lesben Karl Heinrich Ulrichs benannt. Im Anschluss steigt ein Fest mit Musik, Tanz und Kultur auf dem neuen Ulrichsplatz.
„O! dass es mir möglich wäre, auch nur einen Augenblick lang euch in das Innere unserer Seele hineinzuversetzen, so dass ihr empfändet, was wir empfinden, wenn wir die Blüthe eines jungen Mannes erblicken“ schreibt Karl Heinrich Ulrichs in seinem Werk „Forschung über das Rätsel der männlichen Liebe“ im Jahre 1898. Und weiter „dann würde es euch gegenüber einer Rechtfertigung unserer Liebe ohne Zweifel überall nicht bedürfen“.
Am 31. August 2002 – über 100 Jahre später – wird der Jurist und Kämpfer für die Rechte Homosexueller, Namensgeber für den bisher unbenannten Platz im Viertel vor dem Café Engel.
Der Beirat Mitte hatte vor einem Jahr einstimmig beschlossen, dass es an der Zeit sei, den engagierten Schwulen zu würdigen. Auf dem Straßenschild wird zu lesen sein: „Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung der Schwulen und Lesben.“
„Endlich wird es in Bremen zu einer Selbstverständlichkeit, dass ein Platz nach einem Schwulen benannt wird“, sagt Rainer Neumann vom Zentrum für Schwule und Lesben, Rat und Tat.
Karl Heinrich Ulrichs engagierte sich für homosexuelle Opfer der Justiz in Preußen. 1867 kämfte er in Bremen für den Theaterdirektor Friedrich Carl Feldtmann, der wegen Unzucht angeklagt war. Die Polizei hatte über sein Verhältnis mit jungen Männern erfahren, indem sie Zeugen erpresste und denunzierte. Aufgrund des Einsatzes von Ulrichs wurde der Theaterdirektor nur zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. „Gerade deshalb finden wir den Platz nahe am Theater sehr gut gewählt“, sagt Rainer Neumann.
Ulrichs veröffentlichte zwölf Werke zum Thema Homosexualität, in denen er unter anderem die These aufstellt, dass die sexuelle Orientierung angeboren sei. Sein Leitsatz lautet „Im männlichen Körper ist eine weibliche Seele eingeschlossen.“ Schon 1870 tritt Ulrichs für die Möglichkeit Schwuler und Lesben ein, rechtlich und kirchlich zu heiraten.
Neben dem Ulrichsplatz wird es bald auch eine Straßenbahnhaltestelle mit dem Namen des Vorkämpfers geben. Die Bremer Straßenbahn AG hat sich bereit erklärt, die Haltestelle Wulwesstraße in Ulrichsplatz umzubenennen. „Die Menschen werden sich fragen: Ulrich, wer war das eigentlich“, hofft Rainer Neumann.
Das große Einweihungsfest „Festa sulla Piazza“ (italienisch betitelt in Anlehnung an Ulrichs Emigration nach Italien) steigt am 31. August um 16 Uhr und soll bis in die Nacht hineindauern. Auf dem Programm stehen Polit-Sketche unter anderem mit Marie-Luise Beck und Volker Kröning. Außerdem gibt es ein Kulturprogramm mit viel Musik und Tanz und einen Auftritt von Schauspieler Thomas Kylau. plü
Informationen rund um Platz, dasFest und Ulrichs selbst gibt es auf der eigens eingerichteten Homepage
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