Justiz spielt Risiko

Karlsruhe tagt über NPD-Verbot mit sieben Richtern weiter. Verfahren kann leichter platzen, schon zwei Richter können Verbot blockieren

FREIBURG taz ■ Nach dem Ausscheiden von Jutta Limbach wird das NPD-Verbotsverfahren mit nur noch sieben VerfassungsrichterInnen fortgesetzt. Dies geht aus einem im Internet veröffentlichen Gerichtsbeschluss hervor. Die Folgen sind drastisch: Künftig kann das Verbotsverfahren noch leichter platzen, und schon zwei RichterInnen können ein Verbot verhindern.

Eigentlich war es ein Routinebeschluss, mit dem am 11. Juni eine einstweilige Anordnung vom Vorjahr verlängert wurde. Spannend sind allein die Unterschriften. Es sind nämlich nur sieben, der Name von Limbach-Nachfolgerin Gertrude Lübbe-Wolff fehlt. Damit hat der Senat zum ersten Mal öffentlich gemacht, dass er das NPD-Verfahren zu siebt weiterführen wird. „Nach Beginn der Beratung einer Sache können weitere Richter nicht hinzutreten“, heißt es dazu im Gesetz.

Zwar war die mündliche Verhandlung im Februar wegen der V-Leute-Affäre ausgesetzt worden, doch offensichtlich berücksichtigt der Senat auch die internen Vorberatungen sowie das Vorverfahren aus dem letzten Jahr. Im Juli 2003 scheidet mit Bertold Sommer der nächste Richter aus, der ebenfalls nicht ersetzt werden kann. Dann darf auf der Richterbank niemand mehr langfristig erkranken. Denn ein Senat ist nur beschlussfähig, wenn sechs RichterInnen an den Beratungen teilnehmen. Sinkt die Zahl unter sechs, ist das Verfahren geplatzt und muss von vorn beginnen. Außerdem heißt es im Gesetz, ein Parteiverbot kann nur mit „einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats“ beschlossen werden. Bei acht Senatsmitgliedern sind für ein Verbot also sechs Stimmen erforderlich. Wenn aber nur noch sieben RichterInnen mitstimmen dürfen, können schon zwei RichterInnen blockieren. Ab nächsten Sommer müsste die Entscheidung (der dann nur noch sechs RichterInnen) sogar einstimmig fallen.

Möglich ist deshalb, dass der Senat das V-Mann-Chaos zum Anlass nimmt, um das Verfahren noch einmal ganz von vorn (und mit acht RichterInnen) zu beginnen. Am 8. Oktober wird in Karlsruhe wieder verhandelt.

CHRISTIAN RATH