DER STREIK IST VORBEI. NUN MUSS DER ABSCHLUSS UMGESETZT WERDEN
: Drei Punkte für die Baugewerkschaft

Sechs Tage Streik können kleine Wunder bewirken. Anders ist das Einlenken der Bau-Arbeitgeber in wichtigen Punkten nicht zu erklären. Haben sie im Vorfeld des Streiks noch den Untergang ihrer Branche vorausgesagt, ist plötzlich alles anders: Immerhin 3,2 Prozent mehr Lohn sollen ihre Beschäftigten nun bekommen. Die von allen Unternehmen zu zahlenden Mindestlöhne wurden – im Osten sogar deutlich – angehoben, und tarifpolitische Grausamkeiten wie die Einführung der regulären Sechstagewoche sind erst einmal vom Tisch.

Das schnelle Ende des ersten flächendeckenden Streiks seit 50 Jahren ist in erster Linie den Besonderheiten der Branche geschuldet. Hier tut ein Arbeitskampf den Unternehmern richtig weh.Während in der Industrie trotz Just-in-time-Produktion nach einem Streik einfach das Band wieder angestellt wird, bringen zwei Wochen Arbeitsausfall auf einer Großbaustelle alles durcheinander. Spezialfirmen sind möglicherweise längst auf der nächsten Baustelle verplant, der hart kalkulierte Endtermin gerät ins Wanken. Eine teure Angelegenheit, schließlich kosten große Bauvorhaben schnell mal mehrere hundert Millionen Euro – entsprechend hoch sind die Konventionalstrafen.

Die Baugewerkschaft hat diese Situation geschickt ausgenutzt, obwohl im Vorfeld viele geglaubt hatten, sie wäre in der von Arbeitslosigkeit, Tarifflucht und Dumpinglöhnen beherrschten Branche nicht zu einem Streik fähig. So war es für die Gewerkschaft der erste Erfolg, dass es überhaupt einen Streik gab. Der zweite ist die Höhe des Abschlusses. Und fast noch wichtiger ist die psychologische Bedeutung. Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind schnell schlechter geworden – jetzt sind viele Bauarbeiter stolz darauf, endlich einmal dagegengehalten zu haben.

Diese Stimmung muss sich nun auch im Alltag auswirken. Denn höhere Tarif- und Mindestlöhne können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie vielerorts nur auf dem Papier stehen. Die Tricks, mit denen sie unterlaufen werden, sind vielfältig. Jeder einzelne Kollege, jede Baukolonne muss den Abschluss nun in die Praxis umsetzen. Der Streikerfolg sollte ihr Selbstvertrauen gestärkt haben.

Letztlich hilft das auch den Firmen: Werden die Tarifvereinbarungen eingehalten, verringert sich der Preisdruck durch Lohndumping. Die Chancengleichheit zu gewährleisten muss jetzt aber auch Aufgabe der Politik sein. Das Tariftreuegesetz, das vorschreibt, öffentliche Aufträge nur an Tarif zahlende Firmen zu vergeben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Schade nur, dass Stoiber das Gesetz im Bundesrat aus wahltaktischen Gründen scheitern ließ. Obwohl er es für richtig hält – zumindest in Bayern. RICHARD ROTHER