piwik no script img

Gearbeitet wird nur gegen Lohn

betr.: „Aus Pisa wird keiner schlau“, taz vom 25. 6. 02

Hier in Belgien haben wir die Ganztagsschule (außer mittwochs), geht die Grundschule bis einschließlich sechste Klasse, werden Lehrer erst nach etwa zehn Jahren Jonglieren von mehreren Stundenjobs in verschiedenen Schulen fest angestellt, werden Lehrer für Juli und August entlassen, haben die Schulen eine große Selbstständigkeit, werden 60 Prozent der Schulen von der katholischen Kirche geleitet, herrscht autoritäres Getue in den Schulen ... – und die Ergebnisse sind viel besser als in Deutschland.

Dennoch: Mit nahezu identischen Schulsystemen sind die Unterschiede zwischen den niederländischsprachigen und den französischsprachigen Schulen enorm. Das niederländischsprachige Netz ist das Beste von Europa und das französischsprachige liegt „nur“ im europäischen Mittelfeld. Angesichts dessen frage ich mich, ob in Deutschland eigentlich zu Recht nur nach institutionellen Unterschieden als Erklärung für unterschiedliche Ergebnisse gesucht wird. Die Wallonie ist von hoher Jugendarbeitslosigkeit geplagt (>25 Prozent) – flämische Jugendliche können viel optimistischer in die Zukunft schauen. Welchen Einfluss hat das wirtschaftliche Umfeld? Und gibt es vielleicht auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachversionen?

Und: Wer sagt denn, dass (nord-)deutsche SchülerInnen nicht einfach die flexibelsten, selbstständigsten und am ökonomischsten denkenden SchülerInnen von Europa sind, sie nämlich Tests, die Ihnen persönlich nichts einbringen, auch nicht ernsthaft bearbeiten? Vielleicht sind die deutschen Jugendlichen einfach von allen Europäern am meisten auf den Kapitalismus geeicht. Gearbeitet wird nur gegen Lohn. MALTE WOYDT, Brüssel

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen