Schüsse auf Demo

In Argentinien endet ein brutaler Polizeieinsatz gegen Arbeitslosengruppen mit zwei Toten und 90 Verletzten

PORTO ALEGRE taz ■ In der argentinischen Dauerkrise scheint eine Grenzlinie überschritten: Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt des peronistischen Präsidenten Eduardo Duhalde zu Jahresbeginn wurden zwei Demonstranten erschossen: Darío Santillán (21) und Maximiliano Costeki (25). Die beiden gehörten zu militanten Arbeitslosengruppen, die am Mittwoch fünf Zufahrtsstraßen blockieren wollten.

An der Pueyrredón-Brücke im Stadtteil Avellaneda nahmen zwei Demonstrationstrupps einen Kordon von Polizisten in die Zange, es kam zu Rempeleien und Steinwürfen. Aus kürzester Entfernung feuerten die Polizisten Tränengas und Gummigeschosse in die Menge und begannen eine wilde Verfolgungsjagd. Unter noch ungeklärten Umständen starben die beiden Demonstranten, einer davon im Avellaneda-Stadtbahnhof, wohin sich hunderte von Menschen geflüchtet hatten. Mindestens 90 weitere Demonstranten wurden verletzt, zwei davon schwer.

Juan José Álvarez, Duhaldes Staatssekretär für innere Sicherheit, kündigte nach einer Kabinettssitzung an, die Regierung werde die Todesumstände der Demonstranten „bis zur letzten Konsequenz“ untersuchen. Es habe keine Möglichkeit mehr zum Dialog gegeben. „Sechs Monate lang sind wir sehr umsichtig mit dem Einsatz der Sicherheitskräfte vorgegangen, sagte Álvarez. Im Umfeld der Regierungsvertreter wurde gestreut, die Toten seien das Opfer von Provokateuren aus den Reihen der Arbeitslosen. Geheimdienstchef Carlos Soria zitierte angebliche Pläne militanter Arbeitsloser, nach denen diese „vorrevolutionäre Bedingungen“ wie vor dem Sturz von Präsident Fernando de la Rúa im Dezember schaffen wollten. Luis D’Elía von der Gewerkschaft CTA sagte dem regierungsnahen Blatt La Nación, einige „Jungs“ hätten um jeden Preis in die Stadtmitte ziehen wollen, um dort den Rücktritt Duhaldes zu fordern.

In den letzten Tagen hatten mehrere führende Politiker ein hartes Vorgehen gegen neue Proteste angekündigt. Eine Reihe von Arbeitslosensprechern räumte ein, sie seien aus Regierungskreisen informiert worden, dass diesmal Proteste mit „sehr harten Repressionsmaßnahmen“ beantwortet würden.

Der Journalist Miguel Bonasso von Página 12 will sogar im Vorfeld von einem Richter informiert worden sein, dass die Polizisten an der Pueyrredón-Brücke Schusswaffen einsetzen wollten.

GERHARD DILGER