: Spielwiese Autobahn
Ludger Lemper inszeniert „Mercedes“ von Thomas Brasch beim Nachwuchsfestival „Die Wüste lebt!“
„Seh ich aus wie einer der son Wagen hat“? Fragt Sakko und sieht dabei so aus, als hätte er gerade mal einen Audi 80, bestimmt aber keinen Mercedes. In Ludger Lempers Inszenierung von Thomas Braschs Mercedes beim Festival „Die Wüste lebt!“ im Amerikahaus reicht es sogar nur für einen Einkaufswagen. Und den muss Sakko auch noch mit Oi, einem Pippi-Double, teilen.
Doch für beide ist dieser Einkaufswagen wandelbar. So wie alles in ihrer Phantasie. Wenn die beiden auch weder ein richtiges Auto noch Arbeit oder Geld besitzen, haben sie doch eins im Überfluss: Zeit. Doch sie ist ein Makel, der Arbeitslosigkeit und Nichtstun markiert. Regisseur Ludger Lemper unterstreicht die desperate Lage der beiden durch Hits der 50er.
Auch der Ort des Geschehens könnte kaum trostloser sein: Der Grünstreifen in der Mitte der Autobahn. Zwischen echten Leitplanken bespielen Martin Laubisch und Peggy Marmuth fünfzehn Meter grünen Teppich. Auf der „Autobahn“ zu beiden Seiten davon sitzt das Publikum jeweils in Zweierreihen in Fahrtrichtung. Das klischierte Freiheitssymbol „Auto“ wird so ad absurdum geführt, sind es doch die Autofahrer, die stehen.
Überhaupt Absurdität: Allein, wie Sakko und Oi auf den Grünstreifen gelangt sind, bleibt ein Rätsel. In den kurzen Versuchsanordnungen Braschs erfinden sich die beiden Jugendlichen immer neue Identitäten, bis Sakko von einem Mercedes überfahren wird. In Gestalt eines Engels kehrt er dann zurück auf den Grünstreifen, wo Oi schon die heulende Witwe gibt.
Braschs Sprache ist sperrig und braucht einen authentischen, rotzigen Tonfall. Besonders Marmuth neigt zum Deklamieren. In der überzogenen Schlussszene findet die Inszenierung endlich zur nötigen Ironie, die vorher nur zeitweilig aufblitzt. Liv Heidbüchel
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