Senatorin Vollstreckerin

Sozialbehörde stellt Konzept der geschlossenen Heime für Jugendliche vor: 90 Plätze in Hamburg geplant. Auch Kinder sollen eingesperrt werden. Einweisung hängt vom Verhalten der Eltern ab. GAL protestiert, SPD sieht „Gesprächsgrundlage“

von PETER AHRENS

Die GAL hat seit gestern einen Spitznamen für Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU). Die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Christa Goetsch, nennt sie „Schills Vollstreckerin“. Opfer der Vollstreckerin sollen straffällige Kinder und Jugendliche werden. Schnieber-Jastram stellte gestern das Senatskonzept für geschlossene Heime vor. Danach wird gegen jugendliche Delinquenten „zügig, konsequent und mit der gebotenen Härte“ vorgegangen, so der Sprachduktus der Senatorin. 90 Arrestplätze werden in Hamburg geschaffen, in Heimen mit einem Zaun drum herum und „zusätzlichen Sicherungen“.

Hauptstandort mit 50 Plätzen soll die Feuerbergstraße in Ohlsdorf sein – hier residiert bislang noch der Kinder- und Jugendnotdienst. Der muss umziehen. Am 1. Oktober sollen die Arrestplätze zur Verfügung stehen. Die Vorarbeit wird jetzt schon geleistet. Eifrig sammelt die Polizei Namen und Daten straffälliger Kinder und Jugendlicher. Diese Daten werden künftig an ein so genanntes Familien-Interventions-Team (FIT) weitergeleitet. Dieses Team, das beim Amt für Jugend angesiedelt ist, habe damit „einen zentralen Überblick über alle delinquenten Kinder und Jugendlichen – das ist bundesweit einmalig“, so Schnieber-Jastram.

Falle ein Jugendlicher der Polizei auf, werde man zunächst die Eltern aufsuchen, „um sie zur aktiven Mitarbeit zu verpflichten“. Sei dies erfolglos, „gibt es kein langes Zögern mehr“: Auf richterlichen Beschluss folge dann die Einweisung ins Heim. Ob die Jugendgerichte dabei tatsächlich mitziehen, „das werden wir abwarten“, sagte die Senatorin.

In der Feuerbergstraße wird für die Eingewiesenen sogar eine eigene Schule eingerichtet, damit die Jugendlichen nur nicht das Heim verlassen: „Geschlossene Unterbringung heißt für mich ganz klar: Ich darf nicht raus.“ Mit der Schulbehörde werde zurzeit darüber verhandelt, LehrerInnen für diese Aufgabe abzustellen.

Im Heim selbst gelte ein Stufensystem: In der untersten Stufe haben die jungen Menschen „nur sehr wenige Freiheiten“. Durch Wohlverhalten könne man Stufe für Stufe aufrücken, „wo jedoch Vertrauen missbraucht wird, geht es sofort eine Stufe wieder zurück“.

Für Kinder, also die Unter-14-Jährigen, suche man noch ein passendes Gebäude, teilte die Senatorin mit. „ Voraussichtlich abzuschiebende jugendliche Dealer“ werden gesondert in der Wandsbeker Schädlerstraße untergebracht. Im Amt für Jugend selbst waren zahlreiche MitarbeiterInnen von dem Senatskonzept gestern überrascht worden. Sie waren im Vorfeld von der Behörde nicht informiert worden.

Während die GAL das Konzept grundsätzlich verurteilte, reagierte die SPD-Opposition verhalten. Deren Jugendpolitiker Thomas Böwer nannte den Entwurf „eine Gesprächsgrundlage“ und kritisierte lediglich die Zahl von 90 Plätzen als „wider jeden Bedarf und jede Vernunft“. In ganz Deutschland gibt es derzeit knapp 140 Plätze.

Auch zahlreiche Experten hatten im Vorfeld die Einrichtung von geschlossenen Heimen als pädagogische Maßnahme abgelehnt. So hatte der Leiter der Abteilung für Kinderpsychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf, Peter Riedesser, gegenüber der taz von einem „Horrortrip geschlossenes Heim“ gesprochen. Der Jugendhilferechtler Christian Bernzen hatte prophezeit, die Heime würden allein aufgrund juristischer Hürden weitgehend leer bleiben. Das ganze Konzept ist für ihn nur „just for Show“.

Die Senatorin sieht das anders: Geschlossene Heime, mit Zäunen gesichert, seien notwendig, „mit dem Ziel, junge Menschen langfristig in Freiheit zu bringen“.