Afghanische Hochzeit bombardiert

Der Tod von dutzenden Zivilisten bei einem US-Luftangriff wird untersucht. Angriff erfolgte nach angeblichem Beschuss, doch könnte es sich auch um traditionelle Freudenschüsse der Hochzeitsgäste gehandelt haben. Tödliche Fehlangriffe häufen sich

von SVEN HANSEN

Eine amerikanisch-afghanische Kommission ist gestern in die Provinz Urusgan nördlich von Kandahar geflogen, um den Angriff von US-Kampfflugzeugen auf eine afghanische Hochzeitsgesellschaft zu untersuchen. Am frühen Montagmorgen waren dabei zahlreiche Zivilisten getötet worden. Ein Sprecher des Gouverneurs von Urusgan sprach gestern von 40 Toten, darunter Frauen und Kinder, sowie 70 Verletzten. In ersten Berichten war von bis zu 250 Toten die Rede. Der Untersuchungskommission gehören US-Militärs, Vertreter der US-Botschaft und der afghanischen Regierung sowie Journalisten an, teilte die zentrale US-Militärführung in Tampa (Florida) mit.

An dem zweistündigen US-Angriff auf ein Dorf, das in manchen Berichten als Deh Rawud, in anderen als Kakarak genannt wird und im dem einst Talibanchef Mullah Mohammad Omar gewohnt haben soll, waren ein B-52-Bomber und ein AC-130-Kampflugzeug beteiligt. In der Region suchten US-Soldaten nach Kämpfern der Taliban und al-Qaida und hatten zuvor ein Waffenlager ausgehoben.

Am Montag räumte das Pentagon ein, dass von sieben satellitengesteuerten Bomben der B-52 eine ihr Ziel verfehlte und an unbekanntem Ort eingeschlagen sei. Zuvor seien die US-Flugzeuge von Luftabwehrgeschützen beschossen worden. Die US-Streitkräfte bestritten, versehentlich die traditionellen Freudenschüsse der Hochzeitsfeier für gezielten Beschuss gehalten zu haben, wie dies Afghanistans Verteidigungsministerium behauptet. Normalerweise fliegen B 52 in mindestens 10.000 Meter Höhe und sind für übliche Flugabwehrwaffen unerreichbar.

Ein Pentagonsprecher sagte, die fehlgeleitete Bombe der B 52, ein Angriff des AC-130-Kampfflugzeugs oder aber Luftabwehrmunition könnte den tödlichen Angriff verursacht haben. Während die US-Truppen auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram bei Kabul in einem Statement den Tod von Zivilisten bedauerten, enthielt die knappe Stellungnahme der zentralen US-Militärführung keinerlei Äußerung des Bedauerns.

In den letzten Monaten kam es wiederholt zu irrtümlichen Bombardierungen durch die US-Luftwaffe. Bereits im Mai wurden Afghanen bombardiert, die nach afghanischen Angaben eine Hochzeit feierten, nach US-Meinung aber Terroristen waren. Im April starben vier kanadische Soldaten, als sie während einer Schießübung bombardiert wurden, weil US-Piloten Vorschriften missachteten. Im Januar starben bei einem US-Angriff 21 Afghanen, die das Pentagon zunächst als Kämpfer der Taliban und al-Qaidas bezeichnete. Später wurde ein Irrtum zugegeben.

Im Dezember starben beim Angriff auf einen Konvoi von Stammesführern 60 Personen. Ein Warlord hatte die US-Luftwaffe alarmiert und die Stammesführer als Terroristen diskreditiert, um seine Rivalen von den USA ausschalten zu lassen.

Im April bezeichnete das Pentagon in einer vorläufigen Auswertung die Luftangriffe in Afghanistan als seine präzisesten überhaupt. 75 bis 80 Prozent der Bomben hätten ihr Ziel getroffen. Mit anderen Worten: Knapp ein Viertel der bis dahin eingesetzten 6.600 Bomben traf nicht. 60 Prozent der in Afghanistan verwandten Bomben sind laser- oder satellitengesteuert gegenüber 10 Prozent im Golfkrieg.