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Kein Ausverkauf ans Ausland

Dem Vivendi-Konzern droht wegen 35 Milliarden Euro Schulden harte Sanierung. Präsident Jacques Chirac will eine Übernahme durch Nichtfranzosen verhindern

BERLIN taz/dpa ■ Dem weltweit zweitgrößten Medienkonzern, Vivendi Universal, droht der Ausverkauf. Nach der Ablösung von Vivendi-Chef Jean-Marie Messier, die für Mittwochabend nach Redaktionsschluss erwartet wurde, rechneten Branchenexperten in Paris mit einem harten Sanierungskurs, um die Schuldenlast des Mischkonzerns von insgesamt 35 Milliarden Euro zu drücken. Der als Nachfolger von Messier gehandelte Jean-René Fourtou wird nach Einschätzung der Börse gezwungen sein, Teile des Unternehmens zu verkaufen. Fourtou ist Aufsichtsrat des deutsch-französischen Aventis-Konzerns. Unter den weltweit rund 380.000 Beschäftigten wuchs die Sorge um ihre Arbeitsplätze.

Der Absturz der Aktie von Vivendi Universal, der weltweiten Nummer zwei hinter dem US-Primus AOL Time Warner, setzte sich am Mittwoch rasant fort. Zwischenzeitlich fiel die Aktie um gut 17 Prozent und rutschte unter 15 Euro. Sie hatte bereits am Vortag 25 Prozent verloren.

Inzwischen nimmt die Affäre politische Dimensionen an. Jean-René Fourtou gerät in einen Konflikt zwischen Unternehmensstrategie und Politik. Um mit den enormen Schulden noch liquide zu bleiben, wird sich der neue Chef mit einer Absplittung einzelner Konzernteile befassen müssen. Genau das will Jacques Chirac verhindern. Der französische Staatspräsident betonte schon im Wahlkampf die nationale Bedeutung des Konzerns: „Vivendi darf nicht in irgendwelche Hände geraten, schon gar nicht in ausländische.“

Der Mischkonzern Vivendi Universal, der dem 1853 gegründeten französischen Wasserversorger Générale des Eaux entwachsen ist, zählt zu den Aushängeschildern der Republik. Der Pay-TV Canal Plus, der zur Vivendi-Gruppe gehört, ist ein bedeutender Förderer des französischen Kinos. Jetzt droht er in die Hände eines Medienimperators wie Rupert Murdoch zu fallen. Und der Kurssturz der Vivendi-Aktie bietet eine günstige Gelegenheit, um entscheidende Anteile zu erlangen. So könnte sich die Seagram-Gruppe der kanadischen Familie Bronfman, die momentan mit 6 Prozent beteiligt ist, mit US-Anlegern verbünden, um die Kontrolle über Vivendi Universal zu gewinnen. Noch wurden der Pariser Börsenaufsicht COB keine größeren Aktientransaktionen angekündigt – doch meist wird dies erst einige Tage nach dem Deal getan.

Durch die Aufsplittung des Großkonzerns würde Edgar Bronfman sein vor zwei Jahren an Messier verkauftes Medienunternehmen (Universal Music-Gruppe) zurückbekommen – und zwar zu einem Bruchteil des damaligen Verkaufspreises von 40 Milliarden Euro. Auch der Verkauf der privaten Telefongesellschaft Cegetel und des defizitären Internetportals Vizzavi würde sich für Vivendi nicht lohnen. Die Branchen stecken in der Krise.

Derweil hat der ehemalige Starmanager Jean-Marie Messier seine Schäfchen offenbar ins Trockene gebracht. Wie das Wall Street Journal gestern meldete, erhält er eine Abfindung von 18 Millionen Euro. Nur das 50 Millionen schwere Luxusapartment in New York – das er auf Rechnung von Vivendi gekauft hat – muss er abgeben.

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