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Pessimistische Polizisten

Die Berliner Polizei beklagt 1,2 Millionen Überstunden und den Verlust der ausgebildeten Polizei-Nachwuchskräfte. Dennoch geht der Stellenabbau weiter

Die Zukunftsvision der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin verheißt nichts Gutes: Frustrierte Polizeibeamte, kein Nachwuchs, Unterbezahlung, Überbeanspruchung. Die Sicherheit der Stadt sei nicht mehr gewährleistet. Detlef Rieffenstahl, stellvertretender Landesbezirksvorsteher der GdP, spricht aus, was viele denken.

Der Anlass für solch finstere Einsichten: Am Vortag war ein Vermittlungsgespräch zwischen Rieffenstahl und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gescheitert. Gefordert wurde, die Einsparungen im Polizeibereich zu revidieren. Der Senator lehnt ab. Stattdessen gilt: 600 Stellen werden dieses Jahr bei der Polizei gestrichen und ab 2003 werden ein Drittel der Auszubildenden im Polizeidienst nicht mehr übernommen.

Der Senator hatte aber noch mehr schlechte Nachrichten: Es werde derzeit geprüft, ob Berlin auch mit 20 Prozent weniger Vollzugsbeamten auskomme. Das würde 3.320 weitere gekürzte Stellen bedeuten.

Rieffenstahl versteht die Kürzungen nicht. Schließlich wird die Berliner Polizei immer mehr beansprucht, seit Berlin Hauptstadt ist und vor allem seit den Ereignissen am 11. September. So gab es 1998 nur 71 Besuche ranghoher Repräsentanten anderer Staaten, während es im ersten Halbjahr 2001 schon 143 waren.

Zum Schutz von Botschaften werden allein vor der US-amerikanischen Vertretung 50 BGS-Beamte eingesetzt. Die unterstehen zwar nicht dem Berliner Polizeipräsidenten – werden von ihm jedoch mit 70.000 Euro monatlich bezahlt. Dazu kommt: 1,2 Millionen Überstunden von Polizeibeamte müssten noch abgebaut werden.

Rieffenstahls pessimistische Ausführungen werden von Torsten Wegner von der „Junge Gruppe GdP“ unterstützt. Am Donnerstag hatte der Bundesgrenzschutz (BGS) die Berliner Polizei-Auszubildenden zu einer Abwerbungsveranstaltung eingeladen. 500 Nachwuchskräfte braucht der BGS – wenn möglich aus Berlin.

Wegner berichtet von allgemeiner Unsicherheit unter den jungen Polizeianwärtern und -anwärterinnen. O-Ton eines Jungpolizisten: „In der Berliner Polizei haben wir keine Zukunft, also gehen wir zum BGS.“ Wegner meint: „Sie haben den Glauben an die Politiker verloren, fühlen sich abgeschoben und betrogen.“ Sie fürchteten, als Alternative nur noch bei einem privaten Sicherheitsdienst für acht Mark fünfzig die Stunde anheuern zu können oder gar auf Sozialhilfe zu landen.

Was nach Berliner Sparanstrengung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als finanzielle Kurzsichtigkeit für das Land. Die Ausbildung eines Polizisten kostet etwa 100.000 Euro. Da spart sich der Bund einiges, wenn er 500 Berliner Polizei-Nachwuchskräfte zum BGS abwirbt. WOLF VON DEWITZ

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