: Kroatische Regierung tritt zurück
Streit um Atomkraftwerk brachte Fass zum Überlaufen: Sozialliberale wechseln ins konservative Lager über. Neue Regierung will Wirtschaftsreformen weiterführen, kämpft aber mit hoher Arbeitslosigkeit. Tourismus ein Lichtblick
SPLIT taz ■ Schon lange schwelte die Regierungskrise in Kroatien. Gestern warf Premierminister Ivica Racan das Handtuch. In einer Fernsehansprache kündigte der 58-jährige Sozialdemokrat den Rücktritt der Regierung an. „Ich muss sagen, so konnten wir nicht weitermachen“, erklärte Račan. Damit ist die aus fünf Parteien bestehende Mitte-links-Regierung geplatzt, die nach den Wahlen im Januar 2000 die Herrschaft der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) des früheren Präsidenten Franjo Tudjman abgelöst hatte.
Den Wahlsieg hatte das ehemalige Oppositionsbündnis Versprechungen zu verdanken, endlich marktwirtschaftliche und politische Reformen in Kroatien durchzusetzen. Schon bald nach ihrem Antritt gelang es der neuen Regierung im Zusammenwirken mit dem gleichzeitig direkt gewählten Präsidenten Stipe Mesić, Vertrauen im Ausland zu gewinnen und Kroatien an EU und Nato anzunähern.
Doch schon bald zeigten sich Risse in der sozialdemokratisch dominierten Koalition. Der Sozialliberalen Partei (HSLS) des von Mesić geschlagenen Präsidentschaftskandidaten Drazen Budisa gingen manche Reformen zu weit. So blockierte nach Meinung der Sozialdemokraten die HSLS die Verfolgung von Wirtschaftskriminellen des alten Regimes, legte sich bei der Verwaltungsreform, die eine Dezentralisierung des Systems zum Ziel hatte, quer und versuchte die Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu hintertreiben.
Beim letzten Konflikt ging es um die Verhandlungen über das mit Slowenien gemeinsam betriebene Atomkraftwerk von Krsko, das nahe Zagreb gelegen ist. Vergangenen Mittwoch hatte das Parlament die Einigung über eine gemeinsame Nutzung des Kraftwerks mit Slowenien ratifiziert, die HSLS war der Abstimmung ferngeblieben.
Sie bildet nun zusammen mit der ehemaligen Regierungspartei HDZ die Opposition. Die bestehende Koalition aus jetzt vier Parteien wird wohl ohne die HSLS weitermachen: Sozialdemokraten, Volkspartei (HNS ), Bauernpartei (HSS) und die Regionalparteien. Das wird keine leichte Aufgabe. Denn die Arbeitslosigkeit ist jetzt schon auf 23 Prozent gestiegen, die beabsichtigten marktwirtschaftlichen Reformen werden sie kurzfristig noch weiter nach oben schnellen lassen. Vor allem in den Großstädten ballt sich sozialer Unmut zusammen. Für die Regierung günstig allerdings entwickelt sich der Tourismus. In diesem Jahr wird mit einem Rekordergebnis gerechnet. Die Einnahmen aus diesem Sektor mildern die chronische Finanznot des Staates. ERICH RATHFELDER
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