: Streit in Jassir Arafats Autonomiebehörde
Die Entlassung von Sicherheitschef Rajoub durch den Palästinenserchef führt zu Protesten. Er gilt als möglicher Ersatzpartner bei Verhandlungen
JERUSALEM taz ■ Mehrere hundert Palästinenser haben am Wochenende gegen die Entlassung von Jibril Rajoub protestiert, dem Chef des Präventiven Sicherheitsdienstes. Palästinenserführer Jassir Arafat hatte zuvor den Gouverneur von Dschenin zu Rajoubs Nachfolger erklärt und Rajoub umgekehrt das Amt des Gouverneurs angeboten. Der nach Arafat als mächtigster Mann geltende Sicherheitschef nahm die Entlassung am Freitag an, lehnte jedoch das ihm angebotene Arbeitsfeld ab. „Für diesen Job muss man stark und einflussreich sein, dafür bin ich nicht geeignet“, kommentierte er zynisch die Entscheidung.
Mit der Entlassung des Sicherheitschefs reagiert Arafat auf die jüngst verstärkt geäußerte Forderung der USA nach einer neuen Führung im Autonomiegebiet. Rajoub genießt nicht nur die volle Loyalität seiner offiziell 3.000 Mann umfassenden Sicherheitsorganisation, sondern er wird zudem von Israel und den Amerikanern als potenzieller Ersatzpartner für Arafat bei kommenden Friedensverhandlungen ins Auge gefasst. Er hatte sich nämlich gerade in jüngster Vergangenheit wiederholt für schärfere Maßnahmen gegen den Terror in Israel stark gemacht. Bereits Anfang Juni hatte Rajoubs Amtskollege im Gaza-Streifen, Mohammad Dahlan, für den Ähnliches gilt, freiwillig eine „Auszeit“ genommen. Beide Männer gelten als einflussreich und populär, würden aber bei Wahlen einer neuen palästinensischen Führung derzeit keine Chancen gegen Arafat haben.
Während Rajoub den internen Streit offiziell beilegte, zitierte die Tageszeitung Haaretz einen engen Vertrauten von ihm mit den Worten, er sei „nicht irgendein Beamter, den man einfach so kündigen kann“. Einige Leute „werden sehr bald merken, wie mächtig der Präventive Sicherheitsdienst ist“.
Noch am Sonntagabend trafen Kommandanten der Organisation mit Arafat zusammen, um gegen die Berufung von Soheir Manasra, dem ehemaligen Gouverneur von Dschenin, zu protestieren, der nicht aus den Reihen des Sicherheitsdienstes stammt und über keine Erfahrung in dem Bereich verfüge. Außer Rajoub wurden zwei weitere Kommandanten palästinensischer Sicherheitsdienste entlassen, darunter der Chef der zivilen Polizei Raji Jabali. Der im Juni neu ernannte Innenminister Abdel Rasak Jehije unterzeichnete die Entlassungsschreiben. Er gilt in palästinensischen Kreisen als „vollkommen Arafat-hörig“ und enger Freund von Manasra.
SUSANNE KNAUL
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