: Management by Insolvenz
Die Banken wollten Babcock-Borsig nicht mehr retten – jetzt muss sich der Konzern in der „selbst verwalteten Insolvenz“ selbst helfen
aus Oberhausen und BerlinMARTIN TEIGELER und BEATE WILLMS
Tagelang hatten die Beschäftigten zwischen Hoffen und Bangen geschwankt, hatten Ultimaten und Gesprächsergebnisse abgewartet. Selbst als Sonntagabend die ersten Medien meldeten, die Verhandlungen seien endgültig gescheitert, schien noch nicht alles verloren. War doch für Montag noch einmal ein allerletztes Treffen bei der WestLB in Düsseldorf angesetzt – dem Kreditinstitut, das in der letzten Woche noch schnell einen Sanierungsvorschlag ausgearbeitet hatte. Das erwartbare und doch enttäuschende Ende verkündete der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) gestern Nachmittag. „Die erste Runde ist verloren“, sagte er. „Unsere Bemühungen haben keinen Erfolg gehabt.“
Nun muss die Babcock-Holding den am Donnerstag vorsorglich gestellten Insolvenzantrag also doch aufrechterhalten. Andere Konzerngesellschaften prüfen, ob sie ebenfalls beantragen, sich für zahlungsunfähig erklären zu lassen, damit die Beschäftigten möglichst umgehend Anspruch auf Konkursausfallgeld bekommen. Seit Juni wurden keine Löhne und Gehälter mehr ausgezahlt.
„Wir gehen jetzt in Runde zwei“, so Clement. Auch wenn er es sich „anders gewünscht“ habe, gebe es mit der neuen Insolvenzordnung doch weiterhin die Möglichkeit, als Ziel die Sanierung des Unternehmens zu formulieren – und damit möglichst viele der 22.000 Arbeitsplätze zu erhalten. Laut Clement wäre eine „europäische Lösung für die Bereiche Energie und Umwelt“ denkbar, die den Standort Oberhausen, an dem derzeit rund 2.600 Mitarbeiter beschäftigt sind, sichern könnte. Konzernvorstand und Landesregierung strebten nun eine so genannte Insolvenz in Eigenverwaltung an. Danach blieben sowohl der Vorstand als auch die Geschäftsführung im Amt, allerdings wären sie dem Insolvenzverwalter verantwortlich, zu dem das Gericht den Anwalt Helmut Schmitz bestellt hat.
Parallel dazu will sich der Aufsichtsrat nach Aussage von Clement um einen neuen Vorstandsvorsitzenden bemühen. Bereits am heutigen Dienstag soll über Personalvorschläge beraten werden. Der nach dem Ausscheiden des umstrittenen Vorstandschefs Klaus Lederer im Juni designierte Noch-Steag-Chef Jochen Melchior hat bereits am Ende vergangener Woche deutlich gemacht, dass er ohne tragfähiges Sanierungskonzept nicht mehr zur Verfügung stehe.
Um weiter den Einfluss der Politik zu sichern, will Clement eine Task Force von Staatssekretären aus Staatskanzlei, Arbeits- und Wirtschaftsministerium einrichten. Das Verhalten der Banken wollte er nicht kommentieren.
Das übernahmen andere für ihn. Babcock-Personalvorstand Gerd Woriescheck, der in Oberhausen für die erste Information der Öffentlichkeit zuständig war, schimpfte insbesondere auf Commerzbank-Vorstand Wolfgang Hartmann, der morgens in einem Interview erklärt hatte, er halte Babcock für „weder sanierungsfähig noch -würdig“. „Das ist eine Aussage, die gegen die Beschäftigten in diesem Unternehmen geht“, sagte Woriescheck. Ähnlich hatte sich zuvor auch Hannelore Elze geäußert, die Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat ist. „So etwas kann man doch nicht öffentlich sagen“, meinte sie in Richtung Hartmann.
Commerzbank, BHF-Bank, Dresdner Bank und HypoVereinsbank hatten an den gestrigen Verhandlungen offenbar nicht mehr teilgenommen. Nach Einzelgesprächen mit Vertretern der Landesregierung und der WestLB am Wochenende hatten sie gleich lautende Briefe an Clement geschrieben. Darin begründeten sie nach Angaben von Hartmann ihre Absage an gemeinsame Sanierungsbemühungen mit mangelndem Vertrauen in das Unternehmen und seine Führung. „Selbst die als Sanierungsbedarf zuletzt eingeplanten 800 Millionen Euro hätten wahrscheinlich nicht ausgereicht“, so Hartmann. Schließlich habe sich die Summe allein binnen der fünf Verhandlungstage kurzfristig um 100 Millionen Euro erhöht. „Dagegen bietet das Insolvenzverfahren einen unbelasteten soliden Neuanfang.“
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