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Nordhorns teurer Aufstieg

In Hamburg spielt die HSG heute und morgen mit der halben Nationalmannschaft Schwedens um den DHB-Pokal. Leisten kann man sich das eigentlich nicht

HAMBURG taz ■ Die örtliche Handball-Spielgemeinschaft ist der ganze Stolz der niedersächsischen 50.000-Einwohner-Stadt Nordhorn an der niederländischen Grenze. Und so ließ es sich vor der Abreise des Tabellenzweiten der Bundesliga nach Hamburg selbst Bürgermeister Meinhard Hüsemann nicht nehmen, das Team mit „besten Wünschen“ zum finalen Pokalturnier der vier übrig gebliebenen Mannschaften (THW Kiel, SC Magdeburg, TBV Lemgo und die HSG) zu verabschieden. Handball ist eben Chefsache in Nordhorn und so verwundert es auch nicht, dass der Stadtobere sich heute „selbstverständlich“ persönlich auf den Weg in die Alsterdorfer Sporthalle machen wird, um seinem Team die Ehre zu erweisen. „Sollten wir am Sonntag im Finale stehen, suche ich mir auch noch ein Nest in Hamburg“, versichert Hüsemann.

Kuschelige Beschaulichkeit ist künftig stärker denn je angesagt in Nordhorn. Denn die forschen Investitionen, die getätigt werden mussten, um in die Spitzengruppe der vermeintlich stärksten Liga der Welt aufschließen zu können, sind für die HSG längst zu einer finanziell kaum mehr tragbaren Unternehmung geworden. Auch wenn derzeit die süßen Versuchungen des sportlichen Erfolgs den Blick verklären und die bisher so erfolgreiche Arbeit der 1999 in die Bundesliga aufgestiegenen Mannschaft konterkarieren.

„Kontinuität ist unser Hauptanliegen“, beschreibt der seit 1997 tätige schwedische Trainer Kent-Harry Andersson seine Arbeitsweise. Ihm ist es zu verdanken, dass inzwischen die halbe schwedische Nationalmannschaft in Nordhorn wohnt. „Bei uns gibt es aber keine Stars“, verteidigt Andersson seine nicht besonders kostengünstige Personalpolitik und schließt auch gleich den Welthandballer des Jahres, Dragan Skribic, in diese Feststellung mit ein.

Die Spielerkosten sind ja auch nur „einer von zwei Töpfen“, die Spediteur und HSG-Manager Bernd Rigterink gerne bildlich beschreibt, wenn es um die Ausgaben geht, die in erster Linie durch Sponsorengelder gedeckt werden müssen. „Der andere Teil sind die Altlasten“, sagt der langjährige Gönner der HSG Nordhorn, dessen Firma inzwischen ebenfalls finanzielle Sorgen zwicken. Es sind Altlasten, die vor allem durch den kostenexplodierten Bau einer 4.000 Zuschauer fassenden Halle entstanden sind. 5 Millionen Euro waren für die Halle veranschlagt, 6,4 Millionen sind es geworden. Jetzt versucht der klamme Verein, über ein Sanierungskonzept die Stadt und den Kreis um jeweils 500.000 Euro zu erleichtern.

Einen „einmaligen Zuschuss“ nennt Bürgermeister Hüsemann das, „durch den Bau der Halle und den Wertzuwachs für die öffentliche Hand“ sei eine Gabe aus der Stadtkasse, so der Bürgermeister, durchaus vorstellbar. Vom Kreis wird die Angelegenheit skeptischer beäugt.

Dass selbst die Spieler inzwischen eine gemeinschaftliche Kollekte über 25.000 Euro bereitgestellt haben, dürfte für die Vorbereitung auf die finalen Pokalspiele sowie das Saisonfinale nicht gerade förderlich gewesen sein. Ebenso wie die Posse um den Hauptsponsor, der nach dem Ausstieg einer regionalen Telekommunikationsfirma präsentiert werden sollte: Als der Schriftzug von Mercedes-Benz auf der Brust der Nordhorner prangte, wunderte sich die ganze Liga, dass der Hauptsponsor der Fußballnationalmannschaft sich plötzlich auch im Handball engagiert. Nachdem die Konzernführung darauf aufmerksam gemacht wurde, musste das Logo um den Namen des örtlichen Sternehändlers ergänzt werden.

Nach all diesen Pleiten wären die beim Pokalsieg zu verdienenden 60.000 Euro bereits ein kleiner Anfang, um die Fortsetzung des Handballsports in Nordhorn zu gewährleisten. OKE GÖTTLICH

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