Jung & strebsam: Bremer Verjüngungskur Juniorprofessur
Zukunft Ozeanränderforschung
„Dieses Experiment leitet eine lange nötige Uni-Revolution ein“, sagt Gerold Wefer, Leiter des Forschungszentrums „Ozeanränder“ der Universität Bremen. Der umtriebige Geologe Wefer ist mal wieder Vorreiter – diesmal mit den Junior-Professuren. Anfang Juli wurden die ersten beiden Anwärter berufen – insgesamt sollen es an der Uni zehn werden.
Kaum älter als ein Student – und schon Prof. Normalerweise habilitieren sie erst mit vierzig Jahren, beim Forschungszentrum „Ozeanränder“ geht das jetzt schneller. Junge Leute sollen auf die Lehrstühle. Ohne langjährige Abhängigkeit von einem Doktorvater, mit mehr Verantwortung und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Nebenbei kann die Uni mit den Jungspunden natürlich auch noch eine Menge Geld sparen.
„In den nächsten fünf Jahren werden 100 Professorenstellen an der Uni Bremen frei“, betonte der zukünftige Rektor Wilfried Müller. Jede zweite Stelle würde garantiert mit einem Jungprofessor besetzt.
Rebecca Rendle aus Südwestengland ist gerade 30 geworden – und schon Professorin der Meeresforschung. Alles nach einem Turbo-Studium: Zuerst der Bachelor in allgemeiner Geologie, dann der Master, in Kiel schrieb sie ihre Doktorarbeit. Nun untersucht Prof. Rendle in Bremen Ablagerungen tropischer Meere, um Klimaveränderungen vor dem letzten Jahrhundert zu erforschen. Dafür benutzt sie die Knochenstruktur von Korallenkolonien vor Bermuda. In der Lehre will die Jung-Profesorin das englische System einführen. Rendle: „Der deutsche Student hat zu wenig Praxisbezug. In meinen Vorlesungen wird er an konkreten Semesterprojekten den Stoff anwenden müssen.“
Jörn Peckmann (32) wäre ohne Professur nach Nordamerika abgewandert, um dort zehn Jahre früher als in Deutschland die Karriereleiter emporzukrabbeln. Der Geochemiker und Sedimentologe untersucht auf dem Meeresboden lebende Bakterien.
Peckmann hat lange unter deutschen Universitäten gelitten: „Oft habe ich Selbständigkeit in unserem Bildungssystem vermisst. Außerdem läßt sich nur schwer kontrollieren, ob die Studenten bei den Vorlesungen auch etwas lernen.“ Jetzt will der Jungprofessor in seinen Seminaren Pflichtreferate einführen. Der Lehrstuhl ist für ihn eine große Herausforderung. Und: „Ich halte auch meinen Kopf hin, wenn meine Leistung nicht stimmt.“
Ein Schatten fällt zur Zeit auf die Neuprofessuren: Bayern und Sachsen haben vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das neue Hochschulrahmengesetz inklusive Juniorprofs geklagt. „Ich glaube, damit kommen sie nicht durchdurch“, ist Gerold Wefer zuversichtlich.
Der Punkt: „Laut Verfassung muss das Leistungsniveau unserer Junioren mit dem älterer Professoren homogen sein“, erklärt Wefer. „Aber das sind sie. Qualität wird sich durchsetzen.“ Dafür sorge schon die zehnköpfige Auswahlkommission für den neuen Nachwuchs. Wefer: „Die nehmen nur exzellente Leute.“
Karl Zyskowski
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