piwik no script img

EURO-STAATEN SOLLTEN MEHR SCHULDEN MACHEN DÜRFENWer spart, muss noch mehr sparen

Das Gros der europäischen Finanzminister dürfte jenen Tag im März 1998 verfluchen, an dem sie selbst oder ihre Vorgänger sich auf den Euro-Stabilitätspakt geeinigt haben. Damals legten sich die Länder fest, ihre Neuverschuldung demnächst auf null zu senken. Deutschland will dies, inklusive seiner Länder und Kommunen, bis 2004 schaffen. Doch seitdem sich die Konjunktur abgeschwächt hat, erscheint das selbstgesteckte Ziel immer unerreichbarer. Daher ist klug, was EU-Währungskommissar Pedro Solbes vorschlägt: Er möchte über eine Neudefinition des Stabilitätspakts nachdenken.

Dabei darf der Pakt nicht prinzipiell in Frage gestellt werden – denn der Euro als Einheitswährung funktioniert nur, wenn sich alle Länder an dieselben Kriterien halten. Richtig ist daher auch der Vorschlag von Solbes, weiterhin am Ziel der ausgeglichenen Haushalte festzuhalten – dabei aber die konjunkturelle Lage zu berücksichtigen. Das würde den Finanzministern erlauben, bei Wachstumsschwächen das Haushaltsdefizit begrenzt zu erhöhen, um die Mehrkosten der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsbeschaffung abzudecken.

Doch wäre eine solche Neudefinition der Stabilitätskriterien nicht nur eine Arbeitserleichterung für gestresste Finanzminister. Es wäre vor allem volkswirtschaftlich sinnvoll, würde viele Euro-Staaten aus einem Teufelskreis befreien. Denn striktes Sparen in Zeiten der Quasirezession würgt die Konjunktur immer weiter ab. Und damit ist das Ziel, bald ganz ohne neue Schulden auszukommen, nur noch schwerer zu erreichen.

Kritiker sehen allerdings ein Problem – und das nicht von ungefähr: Sie fürchten, dass die Folgen schlechter Wirtschaftspolitik kaschiert werden könnten, indem das dadurch entstehende Haushaltsdefizit als „konjunkturell bedingt“ beschönigt wird. Hier müssen ganz klare Regeln gelten, um diesen Missbrauch der neuen Gestaltungsfreiheit zu verhindern. Die Neudefinition der Stabilitätskriterien würde den Euro endlich zu einer Währung machen, die so modern ist wie das Design seiner Münzen. KATHARINA KOUFEN

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen