abgehakt: Steuerflucht
Eigentlich wollten wir standesgemäß mit einem Cabrio nach Sylt fahren. Doch weder mein Begleiter noch ich konnten der Autovermietung mit einer Kreditkarte dienen. So begnügten wir uns mit dem Schleswig-Holstein-Ticket. Und da wir nun einmal angefangen hatten zu sparen, sollte unser erster Ausflug auf die Insel so günstig wie möglich werden. Der Plan: Keinen Pfennig für die blutsaugende Kurverwaltung. Die Busfahrt ab Westerland Richtung Norden musste zwar bezahlt werden, erwies sich aber als nützliche Investition: Erst irgendwo hinter Kampen schien die Gegend verlassen genug, um den Vorstoß in Richtung Strand zu wagen. Auf einem kleinen, überwucherten Trampelpfad bahnten wir uns den Weg – immer auf der Hut vor frei laufenden Steuereintreibern wanderten wir eine dreiviertel Stunde, bis wir schließlich, leicht ermattet von Seeluft und Sonne, hinter einer Düne in Deckung gingen. Unter uns sahen wir badende Kurgäste – „teuer bezahlt“, dachten wir, und ein Triumphgefühl stellte sich ein. Allerdings auch ein Verlangen nach Abkühlung, doch das Risiko, von einer Scheine scheffelnden Strandpatrouille aufgegriffen zu werden, erschien uns denn doch zu groß. So blieben wir weitere zwei Stunden im Verborgenen, rauchten Zigaretten und schauten den anderen beim Baden zu. Jetzt galt es nur noch, unbeobachtet zurück zur Bushaltestelle zu kommen, wo wir feststellten, dass der letzte Bus an diesem Tag vor zehn Minuten gefahren war. Nachdem mehrere braun gebrannte Cabriofahrer lachend und winkend an uns vorbeigebraust waren, erbarmte sich eine Golf-Fahrerin. Ich stellte ihr die alles entscheidende Frage: „Sag mal, wie hoch ist hier eigentlich die Kurtaxe?“ „Na ja“, antwortete sie, „ 2,90 Euro“. MICHAELA SOYER
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